Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 12]

Hallo Allerseits!

Nun also Teil 12, es geht weiter. Ihr erinnert Euch noch an Folge 11 ?
In Barbis hatte der Verpflegungstand Naturkost Elkershausen per Gaswärmer erfolgreich die Thermosflasche aufgetaut und sogar mit heißem Kräutertee befüllt! Meine Frau wußte derweil nun, wo die Trekking-Stöcker lagen (und meine Zerstreutheit mit meinem Laufhobby anscheinend auch nicht besser wurde), Torsten (der Kumpel von Björn) hatte vorgeschlagen, ich solle mal mit Aschu klären, das diese auf den Gipfel befördert werden (was ich warscheinl. vergessen würde) und irgendwie war mir auch, als hätte ich noch etwas entscheidenes in Barbis zu klären…aber was denn bloß?
Nun jedenfalls wartete der Entsafter auf mich: laut Streckenbeschreibung 20 km ohne Verpflegung bei moderatem, kontinuierlichem Anstieg…nun wird es Ernst. Lauf, Forrest, Lauf!

Die bisherigen Teile findet Ihr wie gehabt in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Let’s go,

Viele Grüße,
Euer Mario


Als es dann endlich Klick machte…


Ich verließ einen kleinen Waldabschnitt und war eine zeitlang auf offenem Gelände unterwegs. Dann fiel mir ein: Mein Schafzeug! Das war es also, was Ich in Barbis hätte klären müssen, wie Mark mir im alten Tanzsaal vor fünf Stunden eingebleut hatte! Wie hieß der gute Mann ? Obi ? „Verdammt, verdammt, die Drei sind bereits zu Mekkes unterwegs, nochmal durchklingeln war unsinnig….“. Ich bekam Hunger, frustriert holte ich mir eine Haferschnitte raus, hatte allerdings Mühe, diese zu kauen. Ich spülte den eiskalten Klumpen mit warmem Kräutertee herunter. Würde im Magen schon irgendwie verdaut -hoffte ich. Während ich versuchte, die an sich sehr leckere Haferschnitte kau-lutsch-beißend hinunterzuwürgen, fragte ich mich mehrmals, wie man das bisher Erlebte überhaupt vernünftig in Worte fassen sollte. Rückblickend waren die letzten 42 Kilometer ja teilweise ereignisreich – mal milde ausgedrückt. Ich kehrte gedanklich zum Entsafter zurück. Besser, ich konzentrierte mich auf das hier und jetzt. Nun befand Ich mich also mitten auf dem schneebedeckten Pfad des eisigen Todes, wie ich diese Strecke bezeichnete. Als kleiner Filmjunkie wie meinereiner mußte ich einfach allem hier bei diesem Challenge eine dramaturgische Bezeichnung geben…in diesem Falle Indiana-Jones-Like halt. Ich musste innerlich lachen, irrwitzig schien das Ganze. Die Steigung des Entsafters hielt sich bisher in moderaten Grenzen, zumindest war dies – noch – mein subjektives Empfinden. Ich konnte problemlos laufen, fühlte mich prima – wie lange jedoch noch, bis dieser mentale Punkt erreicht war, an dem ja der Kopf entscheiden sollte und nicht mehr die Beine ? Es graute mir ehrlich vor diesem Moment, der unter Ultramarathonläufern ja anscheinend so beliebt war wie der Mann mit dem Hammer bei den Marathonis.

Wer entsaftete hier eigentlich wen…?

Hoffentlich blieb das so, denn jenseits der 42 km war so oder so alles für mich absolutes Neuland. Ich wusste: Nun ging es wirklich los. Aber es war weniger die Steigung, die mich zusehens nervte: Es war der Schnee! Das war etwas, worauf ich mich während der vielen Trainingswochen nicht hätte vorbereiten können. Fußknöcheltief versackte Ich mit jedem Schritt in diesen Mix aus Neu – und Altschnee. Das erinnerte mich an Barfußlaufen am Strand. Matschig konnte man das auch nicht nennen, trittfest aber ebensowenig. Man konnte halt nicht drauf laufen, man rutschte bei beinahe jedem Schritt ab, das kostete viel Kraft; glücklicherweise hatte Ich noch Reserven, doch für wie lang ? Als Ultra-Novize machte ich mir nun ernsthaft Gedanken. Mit dem ansteigenden Gelände wanderte mein Puls längst in weitaus höhere, anaerobe Herzfrequenzbereiche. Der wahre Gegner würde also der Schnee werden…ich verfluchte Ihn bereits. Ich konnte froh sein, dass das vordere Teilnehmerfeld schon „Vorarbeit“ geleistet hatte: die vielen Schuhspuren waren unübersehbar, deshalb folgte ich denen umso hochkonzentrierter, als die Loipen auftauchten.

Wenn sich die witterungstechnischen Voraussetzungen erfüllten – so wie in diesem Jahr – dann offenbarte sich: Der Läufer ist der wahre Entsafter, er ist ein Harzer Winzer ! Warum ? Kilometer um Kilometer hatte das Ganze eher was von der traditionellen Art, Weintrauben in einem Holzfass mit den bloßen Füßen zu Brei zu vermanschen. Mich nervte der schöne Schnee, aber da „musste man nun durch“. Die Steigung empfand ich nun als das geringere Übel. So eng, wie es sich auf dem vorgetrampelten Schneepfad zwischen den Loipen lief und ich mich trotzdem hochkämpfte, gerieten auch die Fußknöchel immer mal wieder gegeneinander, viel zu oft, wie ich fand.
Irgendwann hatte ich plötzlich Durst und holte die Thermosflasche hervor, nahm einige kräftige Züge von dem heißen Tee, dann ging es weiter. Ich mußte an Dehydratation denken und der Tatsache, was das für Konsequenzen hätte in dieser wunderschönen, aber einsamen, eisigen Landschaft. „Keiner würde Dich hier schreien hören, wenn du verreckst, ganz zu schweigen von der Trillerpfeife…“, dachte ich sarkastisch. Ja, ich mußte eingestehen, das mich dieses ständige Ausrutschen auf dem Schnee nervte, meine Laune wurde nicht besser!

Schneelandschaft wie im Märchenbuch


Ich hätte nie gedacht, das ich mal so weit hochlaufen würde! Ich fühlte mich immer noch Fit, das ständige Ausgerutsche im Schnee und der kontinuierliche Anstieg entkräftigte mich noch nicht. Konnte Ich nun froh sein über die vielen Trainingskilometer und der Vorbereitung? Wenigstens etwas musste ich wohl richtig gemacht haben: strikte Einhaltung des Trainingsplans. „Bei all der Zerstreutheit eigentlich ein Wunder, das ich mich noch nicht verlaufen hab…andererseits wirst das eine oder andere zu erzählen haben“, murmelte Ich im stillen, während Ich mich mit jedem meiner Schritte vorwärts kämpfte. Eine Halbmarathondistanz lang ohne Verfplegungspunkt, absurde Vorstellung. Dann musste Ich kurz inne halten, denn links von mir war plötzlich freie Sicht ! Ich konnte nun einen Blick tief nach unten riskieren, mir wurde schwindelig bei dem Gedanken, was für ein majestätischer Anblick sich mir da offenbarte!

Ich konnte über mehrere Bergkuppen hinwegblicken und darüber hinaus – bis zum Horizont. Ferner ein normalerweise kilometerlanger Oder-Stausee, von hier oben jedoch betrachtet erinnerte mich das Ganze eher an den Kieselteich im Schrebergarten von Peter Lustig. Das konnte nur ein Bruchteil des Stausees sein,den man von hier oben sah. Unbewusst bückte ich mich, formte einen Schneeball, guckte mich verstohlen um, und warf diesen dann so weit und kräftig Ich konnte nach unten! Stumm schaute Ich dann zu, wie der Ball nach unten segelte, tiefer und tiefer und immer weiter, bis Ich Ihn aus den Augen verlor.
„Halleluja…“, dachte ich. Im Prinzip mußte man nur ein paar Schritte nach vorn gehen, und es wäre aus und vorbei. Ich verscheuchte diesen Kamikaze-Gedanken und lief weiter, mir wurde schon wieder kalt…und ein bisschen schwindelig. Solch majestätische Anblicke wie diese erlebt man als Läufer nicht jeden Tag – höchstens noch die Skilangläufer, so wie der, der mir nun in halsbrecherischem Tempo entgegenkam. Ich bekam schon wieder Durst, holte erneut die Thermosflasche hervor. „Der hat nen guten Zug, Ich aber auch“, dachte Ich durstig, schaute dem Skilangläufer zu, wie er auf mich zuraste und kippte mir den warmen Tee rein. Dann fuhr er an mir vorbei, stumm grüßten wir uns. Ich beobachtete Ihn noch eine Weile, bis er hinter einer Biegung verschwand, und lief dann weiter.

Von alten Bekannten…

Sehr Weit vor mir tauchten plötzlich zwei Läufer auf. Komischerweise veringerte sich die Distanz recht schnell, bis ich sogar gezwungen war, konzentriert auszuweichen. Ich wollte einerseits nicht den Beiden in den Rücken laufen und andererseits nicht in die Loipe treten. Ein kurzer Sprung nach links, dann an denen vorbei, dann wieder nach rechts, und weiter. Das war ein komisches Gefühl, denn Beide – sowohl Mann als auch Frau (ein Paar?) – sahen recht athletisch gebaut aus. Und dann kommt da so ein Ultraneuling…Ich war mir ziemlich sicher, das würde sich rächen. Es wird bestimmt bald dieser mentale Punkt kommen. „Wo es ja hieß, das die ersten 50 Kilometer mit den Beinen und die zweite Hälfte mit dem Geist gelaufen werden…“, murmelte Ich im stillen. Ich wusste momentan nicht, wieviele Kilometer ich schon hinter mir hatte – den Blick auf meine GPS wollte ich mir ersparen. Ih wollte das anders angehen, denn bisher scherte mich der Zähler nicht. Ich kann es nicht erklären,aber ich fühlte mich bisher weder entsaftet noch sonstwie ausgepowert – bisher jedenfalls! Also kein Blick auf die Uhr, es zählte nur das hier und jetzt, momentan lief es gut und es ging voran. Vor mir wieder ein Läufer, ich glaubte Ihn bereits an der Jacke zu erkennen. War es wirklich…?

Als Ich im Begriff war, vorbeizulaufen, wußte ich, wer es war. Ich ging neben Ihm her. „Hey Björn“, begrüßte Ich. “Lass Dich durch mich nicht bremsen…“, erwiderte er. “Nee, passt schon“, entgegnete ich. Ich freute mich, Ihn zu sehen, denn die meisten Läufer waren mir einfach unbekannt. Wir unterhielten uns ein wenig. Zwei harzer Winzer beim Smalltalk. Die innere Stimme ermahnte mich mehrmals, weiterzulaufen. Nach kurzem Überlegen fasste ich dann doch den Entschluß. „Du, Ich werd wieder laufen, Björn. Noch geht es irgendwie…“. Er grüßte zum Abschied, dann ging es wieder los. Ich fragte mich jedoch ernsthaft, wie lange Ich selbst noch durchhalten konnte, bis der Punkt erreicht war, zu gehen anstatt zu laufen. Woher nahm ich bloß nur diese Energiereserven…? Ein Schild tauchte vor mir auf und kündete von 950 Höhenmetern…gedanklich hob ich den Mittelfinger und lief keuchend weiter.

Erst später erkannte ich, das Björn nicht mehr hinter mir war. Ich musste wohl bei diesen Minusgraden, dem Anstieg, den Loipen und dem Schnee derart geradlinig weitergelaufen sein, das Ich tatsächlich jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Das war heftig, sowas hatte ich noch gar nicht erlebt, jedenfalls nicht bei meinen bisherigen Wettkämpfen oder gar den Trainingsläufen. Konnten Körper und Geist derart „verschmelzen“ ? Da musste ich so hochkonzentriert zwischen den Loipen auf dem bereits vorgetrampelten Schneepfad gelaufen sein, das ich alles um mich herum ausgeschaltet hatte. Auch die Tatsache, das der Schnee tiefer geworden war, hatte Ich nicht registriert. Nach einer Weile dann erneut Abwechslung: Wieder tauchte ein Teilnehmer vor mir auf, ich näherte mich. „Sieh an, da ist er wieder, die Starternummer 155, direkt vor Dir“, dachte Ich etwas verblüfft. Zuletzt hatte Ich Frank Brauner bei VP Barbis in Erinnerung…

Gerade wollte ich also wieder ein kurzes „Hi!“ beim Überholen rufen, als dieser mir bereits mit einem sportlichen „Respekt, respekt, muß man ja mal sagen…“ zuvorkam. Ich mußte Ihn verdutzt angeschaut haben: nicht wie üblich der lediglich kurze Augenkontakt und das war’s…nein, endlich ein mündlicher Gruß. Freundlich grüßte Ich zurück. So ein Kompliment von einem fremden Läufer war für mich als Ultra-Novize etwas sehr erfreuliches, vor allem während der monotonen Entsafter-Etappe. Im Allgemeinen war es nicht allzu schwer, den Augenkontakt, den man für Sekundenbruchteile bei solchen Überholmanövern austauschte, auch zu interpretieren: mal war der Blick von den Läufern verbissen, mal war er ernst, dann wieder nur gleichgültig, oder aufmunternd, ausdruckslos, teilnahmslos…während meines Laufs schon alles erlebt. Aber der Gruß vom Frank klang nicht nur ehrlich…ich spürte auch, das er das tatsächlich so gemeint hatte. Kaum war Ich an Ihm vorbei, widmete Ich meine volle Aufmerksamkeit wieder der Monotonie des Entsaftens.

…und anderen guten Seelen

Dann tauchte etwas vor mir auf, was ich erst nicht glauben konnte. „Was zur eisigen Hölle….?“, dachte ich nur entgeistert: Da standen Leute um ein gedecktes Etwas , und das mitten im Schnee !! Das konnten niemals schon 20 km gewesen sein! Was war das da vorn also ? Kurzer Blick auf die Uhr, eine Mischung aus Erleichterung und kaltem Grausen: Ich hatte zwar erst knapp die Hälfte des Entsafters laufend erkämpft, was aber auch bedeutete, das man es doch tatsächlich geschafft hatte, in der eisigen Einöde am Jagdkopf einen Notverpflegungspunkt zu errichten. „Verdammt, Ihr seid ja echt Krass“, rief ich grinsend ich beim näherkommen. „Jaja, so sind wir!“, lächelte mir eine Helferin entgegen. Hier war fette Apré-Ski-Stimmung!

Erführchtig mußte Ich an die güldenen Reiterinnen denken…Ich trank einen Becher Bier, ääh Tee, aß etwas und unterhielt mich mit ein paar Läufern, die dort ebenfalls auftankten. Die Stimmung war Klasse, sogar DJ-Husky war mit seinen Beats fett am Start und hatte sogar schon ordentlich gebechert!

Ich wollte hier gar nicht mehr weg, doch drängte es mich, den Schnee zu entsaften, also verabschiedete ich mich von der Party und lief seufzend weiter. Kurz wusste Ich nicht, wo lang, aber das winzige BC-Schild zeigte in die linke Richtung. „Also dortlang, na gut…“, dachte ich zweifelnd. Der vor mir liegende Weg sah so endgültig aus,aber vielleicht lag es auch daran, das alle noch am Notverpflegungspunkt am schnacken waren und ich ja unbedingt alleine loslaufen musste. Von wegen Einsamkeit und so. Kalt war es auch! Immer noch sehr mißtrauisch der Beschilderung wegen, entschied ich mich zum weiterlaufen…

Erste wirre Gedanken in der endlos weißen Hölle


Die erste BC-Beschilderung sollte eine Zeitlang auch die Letzte bleiben. Es dauerte nicht lange, und mein Unbehagen wuchs. War das wirklich der richtige Weg ? Denn immerhin ging es plötzlich eher flacher weiter, keine Spur von Anstieg. Da stimmte doch was nicht…?

„Ohje…“, dachte ich, schon etwas ängstlich. Ich spürte, wie sich die Meter aneinanderreihten, wie ich mich entfernte vom Not-Verpflegungspunkt. Hier empfand ich plötzlich eine drückende Stille, kein Läufer vor mir, keiner hinter mir. To-ten-stille! Dann doch: Eine Skilangläuferin kam mir entgegen, wir grüßten uns. Ich war beinahe gewillt, Sie zu fragen, ob Sie Läufer gesehen hatte, aber da war Sie schon vorbei und verschwand weit hinter mir. Lediglich Ihr freundliches Lächeln blieb mir in Erinnerung. Gänzlich allein war man hier dann wohl doch nicht. Die letzte Beschilderung war zwar eindeutig – „links abbiegen!“ – aber hier war es so still, und es ging nun gefühlt abwärts, anstatt aufwärts! Mir kam der Gedanke, umzukehren, aber ich wusste auch, das Ich schon mindestens einen Kilometer gelaufen sein musste. Mindestens! Zeitgefühl und Orientierung schwanden zusehens, ich war darauf angewiesen, der Beschilderung blind zu vertrauen. Vor mir Fußspuren im Schnee, die auch keine Ähnlichkeit hatten mit den sonstigen Trailschuh- oder Yaktrax-Spuren der vielen Läufer…oder? Ich war kein Aragorn’scher Fährtenleser, während dieser Stille und dem Knacksen der schneebedeckten Bäume um mich herum war das echt nicht einfach zu beurteilen. Ein Wunder der Natur, das die Bäume soviel Schneelast ertrugen. Verrückter Gedankensprung. Ich trank etwas Tee aus der Thermosflasche, lief dann besorgt weiter. Das miese Bauchgefühl verstärkte sich mit jedem Schritt. Ich hing weiterhin meinen Gedanken nach, die kamen einfach so daher, teilweise recht wirr und verschwommen. “Lass bitte gleich ein kleines, orangefarbenes Schild auftauchen, das wär’ echt toll“, dachte Ich besorgt. Es nutzte nix: Jedesmal, wenn weit vor mir eine Biegung nach einer Geraden auftauchte, hoffte Ich innerlich, eine Beschilderung zu sehen, oder einen Läufer. Aber weder das eine noch das andere passierte…dann ein Spätmerker-Einfall, wohl wieder ein wirrer Gedankensprung: “Pferde hatten die Mädels beim letzten Verpflegungspunkt keine dabei, güldene Krüge ebenfalls nicht…wie waren die eigentlich dorthin gekommen ? Stand da nicht ein Jeep ? Durfte man da mit nem Jeep hoch…?“ Ja, ich hing diversen – teils abstrusen – Gedanken nach und war immer noch gleichmäßig am Laufen. Innerlich hatte ich anscheinend die „nach 50 km entscheidet der Geist, nicht der Körper“-Angelegenheit ins Hinterstübchen verbannt. Die Sorge ums Verlaufen hatte wohl derzeit Priorität. Ein kurzer Blick auf die GPS: Mit einer lahmen 8er Pace war ich unterwegs. Aber ich lief, das war am wichtigsten und so war es mir nun mal auch am liebsten. Kämpf Dich durch, Mario! Der Untergrund änderte sich selten, meist rutschte man ab bei dem knöcheltiefen Schnee. An diese zusätzliche Belastung hatte ich mich aber – neben der Tatsache, das Ich mich allmählich km 60 näherte und kein bisschen wunderte darüber, wie ich das anstellte – bereits gewöhnt. „Wie schnell sich der Mensch anscheinend Umständen anpassen konnte…“, kreisten die Gedanken weiter. „Achja, Ich bin bereits Ultraläufer…“ Wieder ein anderer Gedankenfetzen. Ich erwischte mich dabei, das Ich plötzlich in dieser Einöde anfing zu grinsen, und lief weiter, immer weiter, dem Ungewissen entgegen. Wurde ich schon wahnsinnig wie der Typ in Stephen King’s Shining…?!

Die monoton weiße Hölle des Entsafters hatte mich nun vollends verschlungen, blind diesem winzigen, kleinen Schild viele Kilometer hinter mir vertrauend…

Wenn aus dem langen Lauf ein Zwangsultra wird: die kleine Sightseeing-Tour durch Hannover

Achja, eigentlich sollt es ja nur der „lange Lauf am Sonntag“ werden. Ich hatte mir für dieses wöchentliche Vorhaben mal wieder fetten Dubstep auf’s Handy geknallt, und los ging’s! Vielleicht kennt Ihr das ja auch: Normalerweise hat man ja diverse Strecken bereits abgesteckt, und so sollte es auch heute eher routiniert nach Trainingsplan ablaufen: Langer Dauerlauf, 35 km, Peng. Es kam natürlich anders. Da gibt es also Situationen, wo man als Wald-Wiese-Gestrüpp-Läufer bisweilen mal neugierig bis mutig wird, so geschehen heute: „Hmmm, diesen Rad-Wegweiser kennst ja noch gar nicht, WO soll der hinführen..? Maschsee ? Ooch, eigentlich…am Maschsee, bei nem Eis, is grad ja sonnig, blauer Himmel, keine graue Wolke…“. So kreisten dann auch meine Gedanken – und ich entschied mich, dem Weg zu folgen! Das aus dem „kleinen Schlenker“ ein „kleiner Umweg“ wurde, hätte Ich mir ja denken können. Am Ende wurde es eine Sightseeing-Tour durch halb Hannover: Mißburg, Kleefeld über Hermann-Löns-Park direkt zum Maschsee. Kurzer Zwischenstand hier bereits: 30 KM. Ab hier war mir dann klar: Aus dem spontanen Umweg könnte sich ein Zwangsultra entwickeln. Irgendwie mußte ich ja auch wieder nach hause, und der Stolz eines Läufers wie meinereiner verbietet das cheaten, indem die Öffis genutzt werden. Die Vorstellung deprimierte eigentlich gar nicht so sehr. In diese lage hatte ich mich hineinmanövriert, anscheinend wollte Ich es ja mal wieder wissen. Verpflegungstechnisch hatte ich einiges an Knabbereien dabei, der Trinkrucksack war auch noch gut befüllt, noch fühlte ich mich bestens, eigentlich sprach nichts gegen den ersten „privaten Zwangs-Ultra„…

Einfach mal so noch 25 km dranhängen geht mental nur, wenn ich persönlich umdenke und meinen Schweinehund überliste, sprich: Ich mußte den inneren Zähler einfach auf Null stellen, mir vorstellen, das Ich bloß 25 km laufen werde…ab jetzt,wohlgemerkt! Meinereiner darf dann auch nicht zögern, das muß klick! machen im Hinterstübchen, sonst schaue ich nur allzu oft auf den Kilometerstand der GPS… „Wenn Du schonmal hier bist, dann lauf auch einmal rum“, trieb mich die innere Stimme an, und so machte ich mich von der Löwenbastion aus Richtung AWD-Arena. Auf Höhe Sprengel-Museum fielen mir die vielen 96-Fans auf. Als Ich dann den Sportpark ansteuerte, bekam ich eine Vorstellung der Bombaststimmung in der AWD-Arena und dem roten Rausch der Fans. Bin ja selber kein Fußball-Fan, aber beim Vorbeilaufen bekam Ich immerhin mit, das 96 im Begriff war, den Sieg nach Hause zu schaukeln. Gerade lief die Sonntagspartie gegen Gladbach, soviel hatte ich von einem der unzähligen Fans aufgeschnappt. Soso. Gerade ging es am Sportpark vorbei, nochmals warf Ich einen kurzen Blick auf das Stadion, in diesem Moment erneute, frenetische Jubelschreie der Fans. „Da hört man doch eindeutig nur Hannoveraner raus“, war mein Gedanke. Nächstes Ziel für mich war jedenfalls dann Mittelfeld, Bemerode und letztlich zweite Etappe Kronsberg, auf kürzestem Weg nach Hause also. Mittlerweile Bewölkt, kein Sonnenschein, recht windig auf der zweithöchsten Erhebung im hannoverschen Stadtgebiet. Zweiter Zwischenstop mit Déjà-Vu-Gefühl: die Rampe hoch, auf dem Kronsberg dann nochmals ein Foto geschossen inklusive Panoramabilder:

Echt tolle Aussicht, selbst bei diesem bewölkten Wetter! Nun noch ein Bild mit mir und dem Gipfelkreuz im Nacken:

„Juhu, nun hast Du bei der BC vor zwei Monaten Barbis quasi hinter Dir gelassen, was mich daran erinnert, das Ich Heute noch an genau DIESEM Punkt mit der zwölften Episode des Laufberichts weiterschreibseln muß…seufz…“ Dolle Aussichten am Sonntag, nicht nur auf dem Kronsberg. Regeneration war also gestern, sobald Du zuhaus bist, geht’s umgehend ans Tippen. Das mußte Ich mir echt noch überlegen. Die restlichen 12 Kilometer dann machten den Kohl auch nicht Fett. Zügig ging es über die offene Feldmark konstant Richtung Sehnde:

Fazit: Sightseeing mal anders, den ersten Privatultra aus eigener Tasche finanziert (nix Veranstalter!), es klappte sogar ohne Beschilderung, frei nach Schnauze gelaufen, fein fein. UND: Diesmal hatte sogar der Trinkrucksack seinen Einstand mit Bravour bestanden – tja, das Ding ist ja doch zu was zu gebrauchen! (Ein Easteregg vor Ostern…Kenner wissen bescheid *g*)
Abschließend noch die Daten (nein, kein Aprilscherz):

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 11]

Hi!

Die erste Hälfte – eine Marathondistanz – hatte ich nun also schon bewältigt.
Was würde nun passieren ? Wie läuft man weitere 40 Kilometer bei zunehmend frostigen Witterungsverhältnissen und ununterbrochenen Steigungen bis zum eisigen Gipfel ? Eine der vielen Sprüche im Schilderwald des Veranstalters brachte es diesbezüglich auf dem Punkt: „Ab hier ist es Ultra!“ [siehe Episode 10, letztes Bild]. Ein langjähriger UM-Veteran hätte nun vielleicht lässig entgegnet: „Die erste Hälfte war zum warm werden…seufz, nach der zweiten ist der Spaß wieder vorbei..“ Der ambitionierte UM-Läufer würde eventuell von sich geben: „Die erste Hälfte war moderat, nun wird es anspruchsvoll“…und der UM-Novize, der sich für seinen ersten Ultra gleich den Brocken aus der Liste der deutschen UM-Veranstaltungen 2012 herausgepickt hatte ? Der würde wohl nun spätestens beim Anblick der Rampe direkt nach Barbis murmeln: „Ach Du Sch…“
Übrigens: Episode 11 ist reich mit Bildern bestückt. Noch etwas: Schon Morgen – am 1.04.2012 – wird es den 12. Teil geben – und Nein,das ist KEIN verfrühter Aprilscherz 😀
Die letzten Episoden findet Ihr wie stets in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Nun geht’s los, viel Spaß,
Euer Mario


Thermosflasche Part 1: Mission u n f r e e z e

Nach dem Gruppenkuscheln löste Ich mich wieder, gab meinem Töchterchen und meiner Frau einen ganz dicken, eisigen Kuß und meinte dann: „Ich bin gleich wieder bei Euch, muss eben mal zum Verpflegungspunkt, was klären, treffen wir uns dann beim Auto ?“ Jens entgegnete etwas in der Art wie: “Ja, geh nur voraus, lass Dich nicht ablenken, wir kommen nach…“ Meine Frau gab mir nochmal einen Kuss, schaute mir dann hinterher und rief, wohl leicht verwundert: “Mensch, Du siehst ja noch Topfit aus!“

Ich blickte immer wieder zurück, sie liefen mir doch tatsächlich hinterher! Momente wie diese sind etwas ganz wundervolles und sehr schwer in Worte zu fassen.

Die kleine Angelina rannte mir ebenfalls nach. “Ich will auch Laufen, Ich krieg Papa noch!“ Dann machte es Plumms!, und sie fiel hin. „Mist!“, dachte ich kurz. Ich wollte gerade wieder zurück, als ich schon sah, wie die Kleine wieder aufstand, meine Frau half Ihr dabei. „Okay, nix Ernstes, gut, dann weiter…“, murmelte ich und näherte mich dem Verpflegungspunkt. Den Läufer, den Ich vorhin beim euphorisch-lockeren Endspurt auf dem Weg zu den Dreien überholt hatte, war nun wieder dicht hinter mir. Es war Frank Brauner mit der Starternummer 155.

Was Ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte: mit Ihm sollte es noch ein – aus meiner Sicht – lustiges Battle geben 😉

Auf der Zielgeraden noch ein kleiner Schlenker, schon lag die Verpflegungspunkt-Etappe vor mir.


Kurz blieb Ich stehen, um mich erstmal umzuschauen und die Gedanken zu sammeln. „Da bist Du also..“, dachte ich innerlich. Zu meiner Rechten die Dreymannsmühle (warum nannte man das eigentl. Dreymannsmühle, wo doch hier keine zu sehen war ? Egal, denken wir uns einfach zwei Mühlen dazu, und gut is), zu meiner Linken der Verpflegungsstand von Naturkost Elkershausen. Ich also direkt dorthin. Ein bärtiger Mann mit blauer Mütze. Kurzer Augenkontakt, er schaute mich fragend an – beinahe so, als wüßte er schon, das es noch eine ganze Menge Ärger mit diesem Bürschchen geben würde…

“Ihr müsst mich retten!“, kam Ich gleich auf dem Punkt. Ich reichte Ihm meine Thermosflasche und fuhr hastig fort: “Also es war so: Der verdammte Deckel ist zugefroren. Seit dem Start konnt Ich das Ding nicht nutzen! Nun wird’s aber höchste Zeit! Entsafter und so..!“

Er nahm derweil – ganz die Ruhe selbst – die Pulle entgegen und hielt Sie über einen Gaswärmer. “Ach…das kriegen wir schon hin…“ Ich bedankte mich mehrmals und wollte zwischenzeitlich zurück zu den Dreien, als Björn plötzlich neben mir stand! „Eyyy, Mario, wie geht’s Dir denn ?“ Wir waren bestens gelaunt, ich hatte aber leider nicht viel Zeit zum schnacken, irgendwie machte ich mir gerade auch unnötigen Stress. Björn fiel das hoffentlich nicht auf? „Du, Ich muß zurück zu Kumpel und Familie“, verabschiedete ich mich, wünschte Björn weiterhin einen reibungslosen Lauf und bahnte mich zurück zu den parkenden Autos.

Da war doch noch irgendwas…….?

Meine Liebsten und Freund warteten am Auto, der Kofferraum stand gerade offen. „Ihr glaubt ja gar nicht, wie unnötig dieser ganze Krempel während der ersten Hälfte gewesen ist…“, begann ich zu erzählen, öffnete Jackentasche sowie Rucksack und entledigte mich einiger Dinge: der fette Fotoapparat, ein Ersatz-Oberteil, Ersatzakku, Socken, Plastikmüll von den Kohlehydrat-Gels und Riegeln…dann sprangen mir die Karten ebenfalls ins Auge. Kurz überlegte ich, fasste dann einen Entschluss: Die bleiben ebenfalls im Auto, verbrennen würde Ich da oben eh nix können, gäbe nur unnötigen Streß mit dem Wirt. Währenddessen schauten mir die Drei zu. „Sicher, das Du die Sachen nicht mehr brauchst? Nichtmal die Karten?“, guckte Jens sehr skeptisch meinem Treiben zu. „Ahahah die Karten…..wenn’s nach mir ginge, am liebsten auch der Rucksack, der war von allen Dingen die dämlichste Investition, im Prinzip schleppe Ich den nur unnötig mit“,entgegnete Ich. Jens guckte weiterhin argwöhnisch, er dachte sich wohl seinen Teil.

Meine Frau Nicole schien derweil irgendwas an mir zu vermissen. “Sag mal, Schatzi….Wo sind denn die Trekking-Stöcker?“ Ich biß innerlich die Zähne zusammen! Die Stöcker waren ja immerhin von ihrer Cousine geliehen. In dem Moment jedoch stand rettenderweise Torsten – Björns Kumpel – an unserem Wagen. Ein Glück, die Ablenkung kam genau zur richtigen Zeit, so mußte Ich mich erstmal nicht erklären! „Hey Mario, wie läuft’s bei Dir bisher so? Siehst ja noch Fit aus“, begrüßte er mich. „Noch fühl Ich mich auch so, aber nun beginnt ja auch der ernste Teil der Strecke…bin aber recht zuversichtlich“, antwortete Ich. „Ja“, meinte Torsten,“da vorn jedenfalls wird es nun extrem steil, du solltest das Stück wandern! Die Rampe sollte man nicht unterschätzen…“. Etwas anderes fiel mir dann ein: „Ich hab da ein kleines Dilemma, Torsten…“, und ich erzählte Ihm in Beinahe-Flüsterton, wo die Trekking-Stöcke lagen. „Das klärst am besten mit Aschu…vielleicht kann man die Dinger ja noch den Berg hochschaffen oder so…“ Meine Frau guckte mich bloß fragend an. „Ääähem,Schatz…erklär Ich Dir später!“, überspielte ich das Ganze dumm grinsend. Torsten winkte noch zum Abschied und war wieder weg. „So, Ihr Drei, ich werde mich vom Acker machen, aber ich könnte schwör’n,das da nochwas gewesen ist…“ Ich grübelte kurz. Da war noch was, da war noch was…. Jens telefonierte währenddessen mit irgendwem, ich hörte nur sowas wie: “Jaaa, dem geht es gut, macht nen Top-Fitten Eindruck…“ Ich gab meiner Tochter noch einen letzten Kuss. „Papaaa? Gehst Du jetzt wieder lauuuufen?“ Ach, ist die Kleine doch süß! „Darf Ich mit Dir miiitlaufen?“ Ich tröstete Sie, indem ich erwiderte: “Leider nein, Mäuschen, das ist echt ein bisschen zu weit. Vielleicht, wenn du mal groß bist..?“. „Ooch, das schaffe Ich bestiiimt…“, entgegnete Sie enttäuschend und ließ die Schultern hängen. Dann fiel ihr wohl was ein, senkte die Stimme dabei, ich beugte mich zu Ihr runter, um Sie zu verstehen. “Duuuuhuuu, weisst Du waaaa-haaas? Wir fahren jetzt zu ‚Määäkk Donnnels‘! Onkel Jeee-heens hat gesagt, Ich soll Dir das lieber niiicht sagen…“ Na herzlichen Dank auch, dachte Ich, guckte böse zu Jens rüber und bekam nen Mords-Kohldampf! Er erwiderte den Blick, grinste rüber, als könne er sich schon denken, um was es ging.

Thermosflasche Part 2: Mission accomplished!

Ich bedankte mich nochmals bei den Dreien für’s kommen, drückte und küsste jeden (bin mir gar nicht sicher, ob Jensi ebenfalls nen Kuss auf die Wange…? Gott, vergessen wir das) herzlich und winkte zum Abschied. Am Verpflegungspunkt zurück, stand meine Thermosflasche auf dem Tisch. Ich ahnte übles… „Ging wohl nicht?“, meinte Ich bloß. “Doch, die Pulle ist voll. Den Stöpsel oben kannst nun auch wieder rausziehen und draus trinken. Ist warmer Tee drinnen.“ Krass, was ein Service! „Damit hast Du mir das Leben gerettet!“ Ich aß und trank anschließend noch ordentlich. Derweil wurde Ich das Gefühl nicht los, irgendwas vergessen zu haben – etwas entscheidenes vielleicht…? Ich blickte nochmals zurück: die Drei standen bereits am Auto, waren im Begriff, loszufahren. Nachdenklich blickte Ich nochmal zum Auto rüber, die hatten bestimmt nur noch Mekkes im Kopf. „Okay, Ich sollte nun auch endlich los!“



Barbis (279 m NN, 42,5 km) | 20,6 km bis VP Lausebuche

Den nun kommenden Anstieg fürchtete bereits das gemeine Volk im finsteren Mittelalter. Die Rede ist vom „durchgängig schneebedeckten Pfad des eisigen Todes“.
Schon das verschollene Skriptorium von Kloster Bursfelde berichtete von dieser Steigung:

In einem Punkt sind sich alle einig: In unseren Breitengraden nennt man Ihn derzeit ehrfürchtig den…


Ende Teil 11. Gemeiner Cliffhanger, oder ? Mal kurz nachgeschaut…aha: Umgerechnet sind wir nun auf Seite 45 von 84 angelangt. Diejenigen, welche sich fragen, was damit nun wieder gemeint sein könnte, seien die bisherigen Episoden bei Interesse ans Herz gelegt. Danke auch, das ihr weiterhin wissen wollt, wie es weitergeht. Der Wettkampf an sich ist natürlich schon lange vorbei. Aber eines weiß ich gewiß: Spätestens bis zu meinem nächsten UM-Wettkampf, dem Rennsteig am 12.Mai 2012, ist dieser Laufroman per Web-Blog fertig. natürlich werde Ich dann in ähnlich großem Umfang über den Rennsteig in meinem Blog berichten…jedoch nicht erst nach vier Wochen, sondern umgehend. Deal ?

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 10]

Hallo Zusammen!

Mit der nunmehr zehnten Episode möchte Ich alle interessierten Leser nicht länger auf die Folter spannen, darum wird auch nicht lange gefackelt – let’s go!
Die letzten neun Episoden findet Ihr wie gehabt in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Viel Spaß beim Lesen,
Euer Mario



Ruhmequelle (172 m NN, 30.7 km) | 11,8 km bis zum VP Barbis

Von einer vereisten Thermosflasche und anderem Klimbim

Weiter ging es über die Landstraße nach Ruhmspringe. Diese angenehme Stille in einer mir fremden Umgebung mit ständig wechselndem Terrain…herrlich! In einiger Entfernung folgte ich einem Läufer vor mir und erreichte schließlich ohne besondere Zwischenfälle die Ortschaft. Auch hier war nicht viel los auf den Straßen, trotzdem hieß es aufpassen, die ersten Autofahrer waren unterwegs. Dann erreichte Ich die Ruhmequelle – und mir klappte der frostige Unterkiefer knarzend nach unten!

Ich konnte nicht anders, staunend machte ich halt, denn so etwas schönes bekam man nicht jeden Tag zu Gesicht…!

Bestimmt konnte man diese Quelle blubbern hören, wenn man sich ganz doll anstrengte beim Lauschen. Es war schon schwer vorstellbar, das die Wassertemperatur dieser drittgrößten Quelle Deutschlands ganzjährig 8 bis 9 Grad betrug und jeder Bundesbürger täglich mit gut drei Litern Wasser versorgt werden könnte.

Bildete Ich mir ein, das es kälter, frostiger, eisiger wurde …? Ich mußte dann doch ein wenig das Zeitgefühl beim Betrachten der malerischen Quelle verloren haben, also lief Ich zügig weiter. Irgendwie ja fies: Dir wird zur Abwechslung wieder was für’s Auge geboten, aber nein, wegen der unmenschlichen Kälte kannst nicht lange an einem Ort verweilen, ohne Dir Gefrierbrand wegzuholen. Am Verpflegungspunkt angekommen, dachte ich natürlich als erstes an die verflixte Thermosflasche !

Es gab hier – noch(!) – heißen Zimt-Tee. Mir war es peinlich, einen der Helfer darum zu bitten, mir die Flasche zu öffnen……darum tat ich es nicht. Tja. Im Ernst: Wie hätten die tapferen Streitkräfte in dieser Mordskälte denn auch bitteschön eine komplett vereiste Thermosflasche freisprengen sollen ? Im Hintergrund stand ein Johanniter-Wagen. Stand Ich hier gerade zulange rum ? Ich hatte keine Lust, jetzt schon vorzeitig aus dem Rennen gezogen zu werden. Ich wollte nicht die Aufmerksamkeit auf mich lenken. Die guckten doch bestimmt schon argwöhnisch..?! Also hatte Ich auch hier beschlossen, zwei Becher Kräutertee zu trinken. Dieser Tee beflügelte meine Sinne, ich mutmaßte, dass da irgend ein Aufputschmittel drin war. Anders konnte Ich mir auch nicht vorstellen, wie die inneren Organe das Ganze ohne Drogen mitmachten. Ich wollte schon fragen, entschied mich dann aber doch, es dabei zu belassen…und an einen weiteren Prinzenrolle-Keks zu lutschen. Unter einem der Tische stand ein ASFM-Kanister…das musste wohl das Aufputsch-Konzentrat sein. Ich hielt besser meine Klappe, Schweigen ist Gold.

Kekse, Kekse, Kekse! Viel zu einseitige Ernährung, aber es wollte sonst nix in den Magen…verflixt! “Hach,was solls, ich bin wieder weg“, dachte Ich und lief prompt weiter. Ich spinnte den Gedanken mit der Thermosflasche jedoch weiter: „Spätestens in Barbis müsste mir dann aber jemand mit der dämlichen Pulle helfen. Und wenn Jens die letztlich mit einer Brechstange knacken mußte!“ Der erste Ultra, und irgendwie wollte ich das Gefühl nicht loswerden,das ich in teilweise falsches Equipment investiert hatte. Der Rucksack war bisher nur lästig, überhaupt kein bisschen praktisch! Nur unnötiges Gewicht. Und das bisschen Erste-Hilfe-Krimskrams hätte Ich in den Jackentaschen mit mir führen können. „Nächstes Mal machst das auch“, ärgerte Ich mich innerlich. Fazit bis hierhin:

Geile Jacke – Check! Geile Schuhe – Check! Geile Klamotten – Check! Alles andere: Müll !



Die direkt nach dem Verpflegungspunkt beginnende Steigung wollte erstmals kein Ende nehmen! Was war denn jetzt plötzlich los? Der Forstweg schlängelte sich gnadenlos nach oben. Ich fühlte mich zwar immer noch Fit, traute mich aber diesmal nicht, diesen ununterbrochenen Anstieg durchgängig laufend zu bewältigen, immer die zweite Hälfte der Gesamtdistanz vor Augen. „Das muss jetzt beim ersten Ultra nicht sein, teile Deine Kräfte ein…“, dachte Ich verbissen und musste mich zwingen, zügig zu gehen, nicht langsam, sondern in schnellen schritten. Das Gefühl war jedoch enttäuschend und niederschmetternd. Nicht die Steigung war’s, sondern die Tatsache, das ich es wirklich hasste, bei einem Wettkampf gehen zu müssen. Nicht einmal bei meinem allerersten Wettkampf – dem Halbmarathon im Mai letzten Jahres – wollte Ich gehen. Damals war Ich schon bei km 11(!) am absoluten Ende von allem und hatte mich nur noch sehr zombieartig und sabbernd nach vorne geschleppt. Ich musste einst beim Halbmarathon den Mitläufern eine Heidenangst eingejagt haben. Und nun der erste Ultra…den ich nicht gehend bewältigen wollte, sondern laufend! Wie trotzig…natürlich meldete sich wieder Hubert ‚Yoda‘ Beck im Hinterkopf mit der mahnenden Stimme der Vernunft:

Kurz bevor sich Yoda gänzlich verabschiedete, meinte Ich jedoch noch vernommen zu haben wie er lachend ergänzte: “Achja, Mario, und die Typen,die um die vorderen Plätze fighten, sind trotzdem geiler wie Du, haha…“ Na toll! War es echt schon so Schweinekalt, das mir meine Gedanken einen kleinen Streich spielten ? Während des unaufhaltsamen Anstiegs hatte Ich trotzdem einige Läufer überholen können.Ha! War schon irgendwie ulkig: Vor Dir ein Läufer, im Schneckentempo holst Du auf, bist dann einen Moment lang mit dem ‚Kontrahenten‘ auf Augenhöhe, dann verschwindet dieser zeitlupenartig hinter Dir. Du schaust nach vorn, kämpfst schneckig-verbissen weiter, und erspähst schon den nächsten vor Dir, nimmst die Verfolgung auf. Der Kompromiss aus zügigem Gehen und Laufen sollte den restlichen Anstieg bestimmen, nun hieß es: Niemals aufgeben, niemals kapitulieren!



Nach einer halben Ewigkeit im Gehölz ging es endlich wieder ins offene Gelände! Der eisige Wind schlug mir kurzzeitig ins Gesicht! Dann leichter Schneefall. Mehr oder weniger flach ging es weiter, der Anstieg lag hinter mir. Ich genoss nun die leichte Bergab-Tour und war eine ganze Weile in sehr lockerem Tempo unterwegs. Das eigene Befinden war prächtig, ich wurde nicht langsamer. Und die Witterungsbedingungen ? Obwohl die Sonne ja nun schon Richtung Zenit unterwegs war, spürte Ich am eigenen Leib, das es kälter wurde. Es war nicht im Sinne von unangenehm, eher im Sinne von: ‚Es ist da, es lauert und es wird dich holen wenn Du stehenbleibst.‘ Am liebsten wollte ich jetzt trotzdem anhalten, um die wieder einmal prächtige, hügelige Landschaft zu betrachten.

„So sähe ein schneebedecktes Auenland wohl aus…“, dachte ich. Das erinnerte mich an mein ganz spezielles Vorhaben: Ich hatte noch diese Karten, die wollten auf dem Schicksalsberg verbrannt werden. Nie war ich motivierter, warum also vom Gas gehen? Ich befand mich grad irgendwo bei Königshagen und vor mir sah ich reihenweise Läufer, wie Sie sich zickzackartig bis zum Horizont hoch schlängelten. Die Serpentine, was ein toller Anblick…ich ärgere mich, mit dem richtigen Fotoapparat hätte das Bild Klasse ausgesehen. Aber wir waren hier ja nicht in Rom bei ner Sightseeing-Tour…
Viele waren am Wandern, ich probierte es jedoch mit der bewährten Kombination Gehen und Laufen und konnte auch diesmal einige überholen.

Über die letzten Hügel…

Als ich den Aussiedlerhof entdeckte, wußte ich, das Barbis nun sehr bald in Sichtweite kommen würde. Ich war wieder sehr aufgeregt, denn meine Frau, mein Töchterchen und Kumpel Jens hatten ja die Absicht, mich dort zu treffen- Freude! Ich machte mir um mein kleines,tapferes Töchterchen Angelina große Sorgen: Gerade mal 4 Jahre jung, stand Sie nun wartend in der Eiseskälte und wartete auf Ihren Papa! Dieser Gedanke gab mir plötzlich die Kraft und den nötigen Elan: Ich erhöhte das Tempo abermals! Vor mir ein zugefrorener See…das musste der Berberteich sein. Ich beschleunigte weiter, bog rechts ab und nahm die Beine in die Hand.

Vor mir kam jemand mit zwei großen Hunden entgegen. „Keine Sorge, die beißen nicht…“, rief er mir schon von Weitem zu. “Jaja, die sehen lieb aus und so!“, entgegnete Ich hastig beim vorbeirennen. Der Blick der beiden Hunde sprach aber gänzlich andere Bände! „Wauwau’s, bleibt bloss lieb, hört Ihr?“, dachte ich dann nur, kaute auf meine eiskalte Lippe rum und blickte nicht mehr zurück. Noch mehr Spaziergänger kamen mir entgegen, ich war erstaunt. Nun kamen die Leute wohl langsam aus den Betten gekrochen, oder wie ? Gemütliches Volk hier…wohl doch Auenländer? Ein älterer Herr stieg gerade aus seinem Auto, sah mich um die Ecke flitzen und klatschte spontan und begeistert in die Hände. “Jawoll !! Junge, Du machst das ja fabelhaft, weiter so !!“ Ich grinste. Das wurde ja immer besser hier! Barbis war spontan Spitzenreiter der symphatischsten Orte auf diesem Planeten – neben Göttingen!

…zum fröhlichen Empfang!

Ich schaute rasch auf die Uhr, wollte wissen, wie spät es ist. Ich war knappe 5 Stunden unterwegs und erreichte nun endlich die Ortschaft Barbis. „Marathon in 5 Stunden, ich hab mich doch tatsächlich verschlechtert,tztz…“, witzelte ich innerlich. Ich war echt gut drauf! Ich befand mich nun auf der Hauptstraße, aber mit jedem Schritt war ich mir mehr und mehr sicher, das da vorn am anderen Straßenende und Ortsausgang Barbis die Drei auf mich warteten! Jetzt hatte Ich ein richtig breites Grinsen im Gesicht! Da war vor mir noch ein Läufer, der Enthusiasmus reichte, um den auch noch mitzunehmen, also überholte ich! Ich erkannte nun, das die Kleine etwas in der Hand hatte…war das eine Rassel ? Tatsache…wie geil! Die Süsse zerrte gerade an der Jacke meiner Frau und zeigte auf Ihren Papa, der sich zügig näherte. Meine Frau fing an zu winken, hatte ein Schild in der Hand, und mein Kumpel Jens filmte sogar mit seinem Smartphone. Alle hatten Schilder bei sich, auf denen aufmunternde Sprüche wie „Go Schatz ILU Du packst das“, „Go Mario, Du coole Sau“ und „Lauf Papa Du bist der Beste“ standen. Ich näherte mich nun im lockeren Tempo meinem allerliebsten Publikum: Meinem besten Freund und meinen beiden Frauen!


„Hey!“, rief Ich allen zu. Ich war überwältigt, Sie alle zu sehen, es war ein so tolles Gefühl, unbeschreiblich!
Hatte Ich gerade tatsächlich schon die Hälfte der Gesamtdistanz geschafft ? Überglücklich über das bisher Erreichte umarmte Ich alle Drei. Halbzeit, Strike!

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 9]

Moin moin!

Ja es stimmt, es hat nun ein paar Tage länger gedauert. Einige haben bereits ungeduldig auf eine Fortsetzung gewartet. Ich gebe zu: Es mangelte an Zeit. Ich habe auch den schwarzen Peter namens Ausrede anzubieten: Das Wetter! Wer hatte die sonnigen Tage nicht genossen ?

Nun wollen wir aber keine Zeit verlieren, weiter geht’s mit dem mittlerweile neunten Teil !
Die letzten acht Episoden findet Ihr übrigens wie immer in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Liebe Grüße,
Euer Mario


Bonus-Checkpoint

Wenig später hatte Ich Christiane und Bill wieder eingeholt. Ich wollte mein Tempo nun jedoch nicht unbedingt wieder drosseln, im Gegenteil: Ich hatte plötzlich Lust, in lockerem Tempo weiterzulaufen!
„Das könnte sich später aber auch rächen“, dachte ich . Wer wusste das schon. Kilometer 22 lag längst hinter mir, Rollshausen auch. Vor mir die Bundesstraße, hier solle man vorsichtig rüberlaufen, warnte die Streckenbeschreibung. Aber wer stand denn da vorn, war das wieder ein Verpflegungspunkt? Konnte nicht sein. Direkt vorm Hellberg Richtung Tilly-Eiche ? Wir näherten uns zu dritt dem provisorisch aufgebauten Tisch, es duftete nach Tee.

Nun hatte Ich Durst. „Wir haben noch ein bisschen was…nicht mehr viel, aber immerhin“, meinte einer der beiden. Ich nahm dankend einen Becher Kräutertee entgegen. “Jaaa, das hier ist hier wohl ‚der letzte Außenposten‘, was ?“, kommentierte ich schmunzelnd. Ich war begeistert! „Jo, das war so ne spontane Aktion…gewöhnt Euch aber nicht dran“, entgegnete der andere lachend. „Beide Daumen Hoch!“, lobte Ich das Dream-Team. Ich schaute hinter Die beiden, dort wartete der Anstieg des Höllenbergs. „Auf geht’s, Dante“, dachte ich trotzig und lief los.

Ein Hauch von Trailrunning

Christiane und Bill wollten den Hellberg hochwandern, ich jedoch weiterlaufen, also winkte Ich den beiden zum Abschied und machte mich an den ersten, längeren Anstieg der Gesamtdistanz.


Ich hatte natürlich bis dato keinerlei Erfahrung mit moderaten Anstiegen, aber der Hellberg war nach Landolfshausen mindestens der Zweite, den man nicht wegignorieren konnte. Das war Steigung, und zwar stetig, es wollte einfach nicht aufhören. Und das war gut so! Denn endlich konnte man mal von Abwechslung sprechen. Hier kamen mir die wasserdichten Trailschuhe mit den Spikes gelegen. Meter um Meter kämpfte ich mich diesen Single-Trail hoch. Ich schaute auf die GPS, und musste über die 8er Pace innerlich schmunzeln. Gleichzeitig war es aber auch für mich schwer vorstellbar, mit was für einen Affenzahn die Spitzenläufer hier hochgerannt sein mußten. 12 km/h ? 13 ? Schneller ? Plattgetreten war der Schnee kein bisschen, es war schon recht anstrengend. Ich legte aber noch einen Zahn zu, indem Ich das innere Nitro zündete – Ich wollte endlich mal ins Schwitzen kommen, es war angenehm anstrengend. Zufrieden schaute Ich wieder auf die GPS: Nun lag die Pace gerade mal im 7er. „Oh Wow Mario, WAS eine Pace-Steigerung…nun brech Dir mal bloss keinen ab!“, keuchte ich. Es nutzte nichts – weiter ging’s!

Crosslauf mit Caramba: “Arriba!Arriba! Andale!“

Wer wuchs hier eigentlich: Der Hellberg mit dem nicht endenden Anstieg oder meine Entscheidung auszutesten, wie schnell ich mich meiner maximalen Herzfrequenz annähern und schlapp machen würde?
„Laktatschwelle, ich komme“, witzelte ich innerlich und dachte nicht daran, die letzten Meter hochzuwandern. Als ich dann irgendwann diese Tilly-Eiche sah, dachte ich freudig: „Nun geht’s gleich wieder auf der anderen Seite runter!“. Währenddessen grenzte der Druck auf meine Blase schon an Irrsinn. Es mußte ja nicht gleich diese Eiche sein, also suchte Ich mir zwecks ‚Erleichterung‘ einen anderen Baum.

Ich malte ein dampfendes Herz in den Schnee und war auch ein wenig erleichtert, das es ein helles Herz war…KEIN dunkles! Ich erinnerte mich nochmals an Hubert “Obi-Wan-Kenobi” Beck’s Worte. Dunkles Urin war böse. Vermeiden. Kapiert. Dann ging es flugs weiter. Ich hatte keine Lust, mir dieses Schild näher anzusehen. Diesen Berg aufs Korn zu nehmen machte einfach mehr Bock wie nun eine Laufpause einzulegen und irgendwelche Schilder neben irgendwelchen Bäumen zu lesen. Ich entwickelte mittlerweile eine Vorliebe fürs ‚auf und ab‘. Bisher konnte man ja nicht wirklich von Steigung sprechen, so jedenfalls mein überheblicher Eindruck. Es war toll, keine Frage, es war halt moderat. Ein kurzer Herzfrequenz-Check bestätigte: Mein Puls hatte sich sehr schnell wieder auf Normalwert eingependelt. „Höhö, das geht ja ab hier!“, dachte ich grinsend, während Ich im Eiltempo schnell und unvorsichtig den Berg hinabrannte. Kurz kam mir meine liebe Schwester Kerstin in den Sinn. Die hatte mir noch vor ein paar Tagen einen Videolink geschickt von ‚Speedy Gonzales‘, der schnellsten Maus von Mexiko. Verrückt, was einem hier an Assoziationen geboten wurde bei dem Lauf. Innerhalb von Sekunden kommen Dir die komischsten Gedanken! Mal im Ernst: Ich rase hier den Berg hinab und das einzige, was mir einfällt, ist die Doping-Maus Speedy Gonzales…nee is klar! Der Crosslauf hinab wollte jedenfalls kein Ende nehmen. Ich überholte jemanden. Wusch!, und es ging weiter! Kurzer Blick auf meine GPS, ich musste dann doch schlucken: 14 km/h ? Ein echt schlechter Scherz. Das schnelle Tempo und die leicht kurvenreiche Talfahrt machten mir anfänglich ein klein wenig Sorgen. Ich entschied mich jedoch, nun nicht mehr allzusehr zu drosseln und vielmehr konzentriert runterzurennen. Der kleinste Fehler – irgendein Ast, Stein, tiefe Mulde,Eichhörnchen – und ich würde mir bei diesem Tempo den einen oder anderen Knochen brechen. „Ja, das macht wirklich Spaß, das sollte Ich mal öfters machen!“, jubelte ich innerlich! Dann wars leider schon wieder vorbei, es ging rechts den Wirtschaftsweg weiter nach Rüdershausen. In Gedanken war ich immer noch bei dem Trail-Crashkurs von eben. Ich nahm mir nun fest vor, in Hannover den Benther Berg zu besuchen. Von Thomas Ehmke’s Trailrunning-Blog (http://trailsucht.wordpress.com/) wußte Ich, das man dort durchaus seinen Spaß haben konnte. „Das teste ich in den nächsten Wochen mal…“ Mir fiel ein, eine SMS an meine Frau zu Tippen, und so war ich gezwungen, die Handschuhe auszuziehen, eine echte Qual! Wie soll man brutale Minusgrade im zweistelligen Bereich beschreiben ? „20 km“, war alles , was ich tippen konnte (sollte für den Empfänger heißen: bin bereits 20 km unterwegs, in ca. 22 km wäre ich dann in Barbis). Dann hielt ich es nicht länger aus und musste wieder die eisigen Handschuhe über die noch eisigeren Hände drüberstülpen. „Gott, was eine Schweinekälte, diese verdammten Handschuhe!“, fluchte ich zitternd. Ich musste nun unbedingt in lockerem Tempo weiterlaufen. Eine zeitlang packte ich meine Hände in die seitlichen Jackentaschen – half nur bedingt, aber immerhin. „Diese Jacke war wirklich die beste Investition von allem“, musste Ich innerlich eingestehen – der Hersteller hätte wohl seine helle Freude daran, wenn er von seinem unbekannten Testläufer wüsste.

Nach der Haarnadelkurve …

Immer noch allein unterwegs, hatte ich jedoch stets vor oder hinter mir in einiger Entfernung diverse Läufer im Blickfeld. Der Hellberg …hatte wirklich gefallen. Klar, ist das nur eine kleine Sache gewesen, im Vergleich zu dem Mordsbrocken,der noch in sehr weiter Ferne fies-händereibend auf mich wartete. Ich mußte unwillkürlich an das Auge von Sauron denken. Komisch an der Stelle: Warum ging mir immer Herr-Der-Ringe in den Sinn ? Soviel zum Thema assoziatives Laufen: Die einen kriegen beim Laufen den Kopf frei, wieder andere haben die besten Ideen…und Mario? Macht aus dem Lauf einen auf Frodo. Ich verscheuchte die Gedanken! Kaum hatte Ich die Ortschaft Rüdershausen betreten, wartete dort das NDR-Fernsehteam. Aber nicht auf mich. „Eigentlich schade..“, dachte ich. „…aber Ich bin ja so gesehen kein Greenhorn mehr“, spinnte ich den Gedanken weiter und musste grinsen. Bei all dem Bockmist, der mir bisher passiert ist inklusive Hellberg, das sollte mich doch eigentlich schon längst in den Ambitionierten-Olymp hinaufkatapultiert haben. Gut, ich war noch keinesfalls Ultra…ABER ich hatte auf dem Höllenberg schon ein Herz in den Schnee gemalt ! Gott, nun wurde Ich größenwahnsinnig. War die eisige Höllenkälte Schuld? Dem Fernsehteam sah man jedenfalls deutlich an, das denen – pardon die Wortwahl! – arschkalt war. Den Zappeleien nach zu urteilen versuchte das Fernsehteam, sich warm zu halten. Das war nur sehr ratsam… „Die Christiane dürfte gute 10 Minuten hinter mir sein“, entgegnete Ich beim Vorbeilaufen. „Sie ist bald da, ihr habt es gleich geschafft!“. “Hey, Danke Dir!“, kam die freundliche Antwort. Hörte Ich da ein bibbern in der Stimme ?
Der Ort Rüdershausen an sich war nicht unbedingt der spektakulärste, ABER er konnte immerhin mit einer nicht zu unterschätzenden, fiesen und kleinen Schikane aufwarten. Ich erinnerte mich an die heimische TV-Präsentation der Streckenbeschreibung, der mahnenden Stimme von Aschu bei der Vorbesprechung am Vortag sowie meiner zusammengerollten ‚Klopapier-Streckenbeschreibung in Klarsichtfolie‘, bei der ich mir geschworen hatte, es NIE!, NIE!, NIE! wieder herauszukramen – bis zum bitteren Ende sollte das Kartenmaterial dort versauern. Verdammte Karten! Zuhause hatte ich locker zwei Stunden damit verbracht, den Krempel entsprechend Druckfertig zurechtzubasteln und nun war es Ballast. Egal, es störte nun nicht mehr, hoffentlich setzte es schon Grünspan an. Einige hundert Meter weiter näherte sich also besagte Schikane. Dort solle man rechts abbiegen. Ich musste plötzlich lauthals lachen! Überall orangefarbene Schilder, die nach rechts zeigten! Nun war der winzige Stichweg unübersehbar: Eine versteckte, enge Gasse, die vom Hauptweg abzweigte. Am anderen Ende des schmalen Wegs ging es erstmal für ein Weilchen wieder in die entgegengesetzte Richtung. Lustig.

…die lange Gerade

Als Ich nach einem leichten Anstieg an der Klus von Rüdershausen vorbei lief, wurde Ich wenig später mit einem wunderschönen Panoramablick belohnt. Die bisherige Monotonie der Strecke – mal abgesehen von dem spaßigen Hellberg – wusste durch kleine Überraschungen wie diese Fernsicht zu begeistern.


Dann bekam Ich Hunger! Irgend ein Läufer hatte es sich vor der Kapelle gemütlich gemacht. So wunderschön idyllisch es hier ja gerade auch war – die tolle Landschaft mit Weichzeichner-Optik, der Sonnenschein und das Schneepanorama – aber ein gemütliches Päuschen bei der Klus ? Betete der Läufer da tatsächlich gerade? Ich ignorierte die Kapelle. Der Lauf führte dann konsequent über die Landstraße nach Ruhmspringe. Ich öffnete die Jackentasche und holte einen Früchteriegel raus. „Wenns mal wieder länger dauert…“, dachte ich seufzend, und machte mich an die dentale Herausforderung:

Riegel oder Ich, wer biss sich an wem die Zähne aus ?


[Ende Teil 9.

Ich hoffe, er hat wieder einigermassen unterhalten ? „Keine Schusseligkeiten mehr?“, mögen sich einige nun fragen (vielleicht sogar teilweise hoffend?).
Das ist richtig: der Lauf entwickelt sich nämlich nun in die gewünschte Richtung mit glasklarem Ziel und in zunehmend koordinierter und konzentrierter Weise. Es liegen noch lange 55 km vor mir, die Marathondistanz noch lange nicht erreicht, der nächste Verpflegungspunkt Ruhmspringe aber immerhin in Reichweite.

Bald geht’s weiter!

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 8]

Hallo Zusammen!

Lange Rede, kurzer Sinn: Teil 8 geht Online. Die bisherigen Teile findet Ihr in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).
Wie immer freue Ich mich darüber, wenn Ihr ggf. Kommentare hinterlässt! Und Ihr seid frei zu entscheiden, ob Ihr die übrige Läufer – und Bloggerwelt nicht von meiner kleinen Laufgeschichte aufmerksam machen wollt: Gern per Facebook, Twitter, WordPress, usw., tut Euch keinen Zwang an.

Nun aber weitererzählt,

Viele Grüße,
Euer Mario



Landolfshausen (196 m NN, 11 km) | 5,1 km bis zum zweiten Verpflegungspunkt

Es fehlt ein vertrautes Gefühl auf der Brust…

Erstmals geht es steil!
Schnell kapiere Ich, das Ich hier nicht ewig im lockeren Tempo hoch rennen kann. Daher ziehe ich die Handbremse, zügele die Geschwindigkeit, bis daraus ein langsames Traben wird. Vorn unterhalten sich Petra und Martin. Sie laufen nicht, sie wandern. Ich nähere mich den beiden. “Ha! Da seid Ihr ja, ich wollt doch mit Euch zusammen lostigern“, rufe Ich gutgelaunt. Nach und nach fällt die Hektik von mir ab, die während der letzten 11 km meinen Lauf bestimmt hatte – endlich mit freiem Kopf laufen! Ich wandere ebenfalls mit den beiden den steilen Anstieg hoch. Stimmt, bloß die Kräfte schonend einteilen, das war ja auch eigentlich meine Herangehensweise und Absicht für den ersten Ultra.
„Ein Ultramarathon sollte im Allgemeinen sowieso langsam gelaufen werden“, rufe ich mir ins Gedächtnis (oder war’s eher eine der belehrenden Sätze von Herbert Steffny?). Also die Ruhe bewahren, die Strecke ist ja noch lang genug. Ich geniesse derweil wieder die Umgebung. Nun wird es ebener, der Anstieg lag nun hinter uns. Im langsamen Dauerlauf-Tempo geht es weiter. Das ist mir erstmal nur recht, denn nur Wandern…und Ich wäre jämmerlich eingefroren. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber mir machte es zunehmend Spaß, in einer Gruppe zu laufen. Und diese beiden waren mir symphatisch. Unmerklich wuchs das Grüppchen und ich entspannte mich zusehens.


Vorn eine herrliche Aussicht, dann geht es kurz durch einen Forst, wieder raus, und schon lag die Seulinger Warte vor uns. Stetig nähern wir uns Seeburg. Währenddessen gesellt sich eine weitere Läuferin zu uns: die Christiane Schumacher mit der Starternummer 151. Wir plaudern ein wenig, Smalltalk halt. Es stellt sich heraus, das Christiane diejenige ist, welche vom NDR-Filmteam dokumentiert wird – das ist also die Newcomerin. Warum mir exakt in diesem Moment jedoch wieder ein unwillkommender Einfall in den Sinn kam, konnte ich nur erahnen: „Mario, Du trägst Deinen Brustgurt ja gar nicht…!“. Okay, DIESEN Einfall hätte ich nun am liebsten gänzlich wegignoriert, denn er machte mich – baah! – knarzig! Waren gerade weitere Gehirnzellen aufgetaut oder lag es daran, das die symphatische Christiane symbolisch für den Novizen-Teil der NDR-Doku stand und mir mein eigenes Novizendilemma wieder vor Augen führte? Vermutlich dachte sich mein zerstreutes Köpfchen auch gerade: „Hey, der Mario ist gerade gut drauf, dann können wir ihn ja häppchenweise mit dem übrigen Firlefanz an Vergesslichkeiten ärgern, die noch in seinem Hinterstübchen lauern…!“ Ausgerechnet bei einem Wettkampf lege Ich nicht den Brustgurt an. Noch schlimmer: Ich hatte Ihn sogar zuhause vergessen. Gerade jedenfalls brauchte Ich keinen Brustgurt, um zu wissen, das sich der Puls gerade bedrohlich dem Maximalwert näherte.
Mann! Mich hätte ja wirklich die Herzfrequenz bei diesem langen Lauf interessiert „Hätte, hätte“, denke ich mürrisch.

Die Thermosflasche könnte mal zum Problem werden…

Weiter geht es in entspanntem, langsamen Dauerlauf über die offene Feldmark – herrlich freie Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen! – dann durch die Unterführung der Schnellstraße.

Ich bekomme wieder bessere Laune! Genauso habe ich mir den Lauf vorgestellt, darauf monatelang hingefiebert! Auch Petra geniesst den Lauf sichtlich und meint: “Ach ist das schön! Wenn Du den Lauf dann hinter Dir hast, ist das wie eine Frischzellenkur für Körper und Geist!“ Ich stimme gutgelaunt zu, fühle mich fit und munter! „Aber ich muss auch bald mal in die Büsche…“, murmelt Sie dann.
An die frostigen Temperaturen im zweistelligen Bereich erinnern lediglich meine Hände, zwischenzeitlich hatte Ich ein zweites Paar aus Fleece drüber gezogen. „Hätte da doch besser in richtig gute Handschuhe investieren sollen, nun war es zu spät“,denk ich mir. Wir nähern uns dem Parkplatz und ich erinnere mich an meine Thermosflasche, die im rechten Brustfach des Rucksacks steckt. Ein kritischer Blick zum Ärmel, keine Eiszapfen. „Hoffentlich kriege Ich das Teil jemals wieder auf“, denke Ich bitter! Vorn wartet bereits das NDR-Fernsehteam. Während Petra, Ich und Martin die Verpflegungstische ansteuern, hat Christiane ihr nächstes Doku-Meeting.



Seeburger See (161 m NN, 16.1 km) | 14,6 km bis zum dritten Verpflegungspunkt

„Und möge die Macht mit Dir sein, Mario…immer!“

An den Tischen angekommen schnappe ich mir hungrig eine Haferschnitte. Mann, die Dinger sind der Hammer! Ich packe mir also dreisterweise gleich zwei von den leckeren Dingern für unterwegs in die Jackentasche. „Könnte mir jemand bitte mit meiner zugefrorenen Thermosflasche helfen ?“, bettele Ich. Die Helfer hatten aber leider ebenfalls Schwierigkeiten, den Deckel aufzuschrauben. „Da kann man nichts machen, sitzt Bombenfest“, kapituliert ein anderer. Während Ich also stattdessen heißen Tee saus Bechern schlürfe, lausche Ich in Gedanken der mahnenden Stimme des bereits des öfteren erwähnten Fachbuch-Autors Hubert „Obi-Wan-Kenobi“ Beck – der Stimme des Gewissens:

Das Problem: Hier stand weder eine Waage, noch hatte ich gerade das dringende Bedürfnis, in die Büsche zu hüpfen, um beim Pinkeln verstohlen mein Urin zu prüfen !! Aha! Die Gruppe wollte weiter und Christiane war auch fertig mit Ihrem interview -Bestens! Ich kaue weiter an meiner Schnitte, während Petra zielstrebig einen Busch anpeilt. „Wartet nicht auf mich“, glaube Ich noch gehört zu haben.

Die Sache mit dem Mundstück

Christiane hatte sich nun auch wieder dazugesellt. „Na, lass mich raten, Christiane, die Fragen des Fernsehteams waren bestimmt sehr tiefsinnig?“ Ich musste grinsen! Langsam setzten wir uns wieder in Bewegung, es fehlte jedoch immer noch Petra. „Ach, die Fragen wiederholen sich sicherlich ständig,oder? ‚Naa, und wie geht’s Dir JETZT gerade?‘ ,oder: ‚Wie läuft’s denn?’“, witzelt Martin. “Soviel Fragen kann man da halt nicht, alles wiederholt sich ständig“, entgegnet sie schmunzelnd. Wir waren alle guter Dinge, bestens gelaunt, und das bei den absurden Minusgraden! „Das kauft uns doch keiner ab zuhause“, denke Ich mir.

Beide laufen nun los, und eigentlich will ich das auch, denn die Betriebstemperatur sank nun in den kritischen Bereich, die Hände wurden bitterkalt! „So schnell kann das also gehen, innerhalb weniger Minuten friert Dir alles weg“, denke ich fröstelnd. Ich kannte das ja aus den Trainingsläufen Wochen zuvor. Die beiden liefen schon ein gutes Stück voraus, ich wollte jedoch nicht hetzen. „Wo bleibt denn nur Petra“, denke Ich. Dann gebe Ich wieder Gas, denn es hat keinen Sinn, bei der Kälte zu warten. Eine Zeitlang führt der Weg am Südufer des Sees entlang. Ich bekomme wieder Durst. Ich weiss, das es nun eine Weile dauern wird bis zum nächsten Verpflegungspunkt.

„Gut, Du hast Durst, also schauen wir mal, ob der Trinkrucksack was taugt“, denke ich innerlich. In der Eiseskälte habe Ich Mühe, meinen Kopf soweit nach rechts zu drehen, das Ich gerade noch erkennen kann, wo das Ende vom Trinkschlauch befestigt war. Ich sauge daran, aber erwartungsgemäß schien das Ding ebenfalls zugefroren. Energisch sauge ich stärker dran:„Schlllüüüüüüüüürfffffff!“ Sieh mal an, das Mundstück ist ja noch mit Schutzplastik umschlossen.
Langes, nachdenkliches Schweigen………..
„Oha, das darf man nun wirklich KEINEM erzählen…bloss ruhig bleiben, nicht wieder aufregen“, schimpfe ich (Rechtfertigung am Rande: 1. Bei meinem ersten Trinkrucksack von Camelbak hatte der Hersteller freundlicherweise auf so nen Unsinn verzichtet, 2. der Rucksack wurde noch rechtzeitig vor Wettkampfbeginn geliefert, 3. Hartplastikverpackung ist bei Munus 20 Grad einfach nur eine ätzende Angelegenheit). Aber ich will nicht aufgeben. Also versuche Ich beim Laufen mit den Zähnen die Plastikumantelung abzureißen, aber die war extrem hartnäckig! Derweil ging es gerade durch Bernshausen. Ein Blick nach hinten, von Petra leider keine Spur. Das fand Ich Schade. Dann hatte Ich es irgendwie geschafft und mit dem Eckzahn ein Loch ins Plastik des Mundstücks gestanzt. Ich begann erneut mit den Oralspielchen am Mundstück des Trinkschlauchs. Der erste Tropfen, dann der zweite…ich erkämpfte mir so jeden Tropfen aus dem Schlauch. Dann hatte ich keine Lust mehr, das Wasser war ohnehin eisig kalt. Nun roch es auch noch nach Kanal, ich hatte nun gänzlich keine Lust mehr auf das Eiswasser. Ein kurzer Blick nach Links, und ich wusste, wo Ich gerade lang lief…

„Aha, das kann dann nur die Kläranlage vor Rollshausen sein…“, stellte ich fest.


[Ende Teil 8. Morgen gibt es dann schon den neunten Teil.
Vor Veröffentlichung des Laufromans meinten ja einige: „Was gibt es denn auf 84 Seiten zu erzählen, wie soll das gehen?“. Ich denke mal, diejenigen von Euch, die bisher alle anderen Teile gelesen haben, verstehen allmählich, warum Ich das Ganze im Detail niederschreiben musste…oder ? 😉

[Streckenbeschreibung: © http://www.brocken-challenge.de (ASFM)]

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 7]

Moin Moin!

Ihr habt die bisherigen Teile gelesen? Meint Ihr, mein anfängliches Debakel ist steigerungsfähig ? Na, dann schauen wir mal!
Die bisherigen Teile findet Ihr in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Noch etwas: Würde mich über Artikel-Kommentare freuen, über Feedback freut man sich doch gern 😉

Weiter geht’s,

Viele Grüße,
Euer Mario



Start Hainholzhof (341m NN, 0 km) | 11 km bis zum ersten Verpflegungspunkt

„Hey, da kommt ja noch einer!“

Es ist 6:05 Uhr, als auch ich endlich die Absperrung erreiche.
„Jaja, da komm Ich noch…“, fluche ich nicht gänzlich unüberhörbar. Gerade versuche Ich beim Laufen den Kartensatz irgendwie zwischen die Brustriemen des Rucksacks zu schieben. Kurz darauf schlängele ich mich durch die Absperrung, gucke mich hektisch um und sehe vor mir die vielen Stirnlampen der Läufer, die wie Glühwürmchen in der Dunkelheit leuchten und in der Ferne verschwinden.

Dann macht es plötzlich „Klatsch!“ – die Karten müssen durch die Riemen gerutscht und irgendwo in der Dunkelheit in den Schnee gefallen sein! Wieder fluche ich und schaue mich unauffällig um. Das wäre doch jetzt ein gefundenes Fressen fürs Fernsehteam des NDR gewesen, denke ich bitter. Ob die gerade irgendwo stehen und die Kamera auf mich richten? Ich frage mich gerade sowieso immer mehr, warum sich der NDR gegen das ‚Greenhorn‘-Konzept entschieden und es für die Reportage dann doch nur bei ‚Veteran‘ und ‚Newcomerin‘ belassen hatte. Hier ist doch grad einer, mit Leib und Seele. Das hätte ja nichtmal Mr. Bean in den letzten zwei Stunden so lupenrein hinbekommen. Da war doch noch was…aber mir wollte gerade einfach nicht einfallen, was ich (wieder) vergessen hatte.„Zum Beispiel das Licht der Stirnlampe mal anschalten, Mario?“, denke Ich. Im Schein meiner Lampe erkenne Ich dann endlich wesentlich mehr: Hinter mir liegt die Klarsichtfolie mit den Karten, natürlich schon etwas durchnässt, was solls. Mir ist mittlerweile extrem kalt an den Pfoten, es schmerzt nun ernsthaft, wird immer unerträglicher.

„So ein Dilemma, endet die Farce eigentlich auch irgendwann mal?“, fluche ich.

Ich sammle fix den Kram vom Boden auf, dann laufe ich in lockerem Tempo weiter, um nicht das absolute Schlusslicht zu bilden.

Ich registriere nun erstmals die Fackeln am Wegrand, die nähere Umgebung, wollte das Ganze ja eigentlich irgendwo auch genießen, aber momentan geht es noch nicht. Die Hände schmerzen unerträglich, die müssen endlich in Handschuhe! Während ich in weiterhin lockerem Tempo erste Läufer vor mir erblicke, krame und zerre ich an den Seitentaschen meiner Jacke rum. „Mann, diese verdammten Reißverschlüsse sitzen aber auch bombastisch bei dieser Jacke!“, denke ich bockig. Ich überhole die ersten Läufer bereits, da macht es wieder „Klatsch!“. Das war der Punkt – das weiss ich noch ganz genau! – wo ich losschreien wollte. Stattdessen lautes Fluchen. Ich war momentan mit der prekären Gesamtsituation vollkommen unzufrieden! Die Hände zitterten und starben vermutlich schon ab. „Echt fiese Minusgrade“, denke ich zitternd, beiße dann aber die Zähne zusammen und hebe den ‚Platzhalter für sehr vulgäres Wort‚-Kram erneut auf. Dann fasse ich wohl warscheinlich den ersten, richtigen Entschluss am frühen Morgen: Stehenbleiben und die eingefrorenen Gedanken neu sortieren. „Eines nach dem andern. Ziehen wir erstmal die Handschuhe an und packen die Karten wieder zwischen die Riemen, und fertig.“
Als Ich damit fertig war, gab ich Gas: Nun musste Ich endlich Tempo machen – und auftauen!

„War das da vorne nicht…?“

In weiterhin flottem Tempo laufe ich weiter. Noch kann man sich im dunkeln nicht verlaufen, dafür sorgen die Fackeln. Ein Glück! Wieder tauchen die ersten Läufer vor mir auf, ich überhole die Ersten. Sicherlich haben die ihre Gründe, in langsamem, gleichmässigen Tempo zu laufen; würde ich ja selbst einerseits nur zu gerne, andererseits wollte Ich neben meinen bisherigen Eskapaden nicht auch noch das Schlusslicht der übrigen 159 Teilnehmer bilden. Mein Plan war es von vornherein, die erste Hälfte der Gesamtdistanz in einer Gruppe mitzulaufen, die zum einen Ihre Kräfte schonend einteilen und zum anderen eine möglichst konstante Pace (zwischen 7 und 8,5 min/km) laufen wollte. Dann werde Ich stutzig: „Die Läuferin vor mir kenn ich doch…?“
Ja, das war Sie wirklich! Und zum erstenmal seit diesem frühen Morgen schöpfe Ich neue Hoffnung. Jetzt kann alles nur besser werden. „Hey, Du bist doch die Petra, oder?“.
Petra Rösler ist für mich neben Aschu Monate vor dem Wettkampf so etwas wie ein entscheidener Schlüsselfaktor gewesen, die Brocken-Challenge überhaupt erst in Angriff zu nehmen. Auch Sie wurde damals in dem NDR-Kurzbericht von 2009 mehrfach interviewt, teilweise sogar unfreiwillig. Ich musste sofort an eine Ihrer damaligen Bemerkungen in dieser kurzen Berichterstattung denken, die blieb mir noch frisch im Gedächtnis: “Ohgott, bin ich hier auf Sendung? Das sind jetzt Intimitäten, nene…“ Diese Gedanken gehen mir gerade durch den Kopf, während Ich mit Ihr zusammen weiterlaufe. „Hi Du“, grüßt Petra mich gutgelaunt. „Wenn du wüsstest, wie spaßig bisher der frühe Morgen gewesen ist…“, und beginne Ihr in kurzen Stichworten von den bisherigen Absurditäten zu erzählen.
Die Luft war recht frostig, ich hatte etwas Mühe, zu sprechen. Immerhin vergaß ich aber das schmerzhafte Brennen der Hände, die nun langsam wieder auftauten.

„Klatsch“.

Wie die Gefährten…

Eine zeitlang unterhielten wir uns, jedoch wurden wir während des Laufens mehrmals hinter uns vom Scheinwerferlicht des Kamerawagens des NDR unterbrochen: Das Fernsehteam wollte einmal erneut vorbei. Alles kein Problem. Allmählich wird es heller. Fackeln waren schon länger keine mehr zu sehen. Und dann fällt mir etwas gravierendes ein, als wir einen Läufer mit seinen Teleskopstöckern überholen. Gedanklich vergrabe Ich die Hand ins Gesicht und schüttele seufzend den Kopf: Nein, Du hälst jetzt besser den Mund und fängst vor Petra nicht schon wieder mit Deiner Selbstmitleids-Tour an. Baah, ich wollte am liebsten trotzdem brechen! Meine eigenen Stöcker lagen ja noch im alten Tanzsaal neben dem Eingang…! Währenddessen nähert sich uns ein weiterer Läufer und nimmt spontan an unserer Unterhaltung teil. „Moin, Ihr beiden, wie läuft’s denn bisher so?“. Das war Martin Ottersbach mit der Startnummer 127. Während sich die beiden eingehender miteinander unterhielten, gab mir das endlich die Gelegenheit, die wunderschöne Umgebung während des Laufens wahrzunehmen. Ich musste umgehend an das Auenland aus den Herr-der-Ringe-Filmen denken – eine traumhaft schöne Landschaft!

Dann folgt eine weitere unangenehme Erinnerung, die sich langsam aus dem Eisnebel meines leicht zerstreuten Gedächtnisses schält wie ein bösartiger, blutgieriger Ork: Ich hatte meine GPS ja noch gar nicht aktiviert! Schnell betätige Ich ein paar Knöpfe, beuge mich dabei aber so, das es erneut „Klatsch!“macht. Wieder fluche Ich ein „Mist!“, denn über soviel Zerstreutheit konnte man doch nur noch den Kopf schütteln. Also wieder zurück, Karten aufgehoben und weiter ging’s. Dann stört mich plötzlich etwas ganz anderes: Mein rechter Ärmel fühlte sich irgendwie schwerer wie mein linker an, was sogar Einfluss auf meine Laufkoordination hatte.„Was war denn das nun wieder?“, denke Ich verwundert: fette, lange Stalaktiten hingen am rechten Ärmel bis hinunter zu den Oberschenkeln! Was zur Hölle…? Im Schein der Stirnlampe schaue Ich mir das Ganze genauer an und eine Mischung aus Entsetzen und Verwunderung keimt auf. Ich folge dem gefrorenen Wasserfall bis hoch zum rechten Schulterriemen des Rucksacks, wo Ich in einer Seitentasche die Thermosflasche reingesteckt hatte. Beinahe der gesamte Inhalt der Flasche hatte sich beim Laufen entleert! Und Warum ? Der Deckel der Thermosflasche war anscheinend undicht…obwohl Ich diesen fest zugedreht hatte. Der rechte Handschuh war am Handgelenk klatschnass, das hatte ich bei den Minusgraden nicht gespürt. Aber immerhin war die Jacke allererste Sahne – kein Tropfen Wasser durchgegangen, Klasse Teil. Tja, es gibt wohl nichts spannenderes, als bei einer Brocken-Challenge ein paar Stalaktiten vom rechten Ärmel zu brechen…

…auf dem Weg zum Schicksalsberg.

„Na, was los, Mario, brauchst du Hilfe?“, fragt mich Petra gerade. In lockerem Tempo geht es gerade leicht bergab. Sie musste mich wohl seit einiger Zeit beobachtet haben.
„Naja, eigentlich war Ich der Meinung, ich hätte bis vor dem Start noch alles im Griff gehabt…“
Aufmunternd entgegnet Sie: “Das ist normal, ist halt Dein erster Ultra, da achtet man penibel darauf, ob alles hält und sitzt…“Ich entgegne leise: “Ja…“laufend“ erlebst Du hier was neues…“ Ich breche mir die restlichen Eiszapfen vom Ärmel, denn die wollte ich nicht als Souvenir weiterhin mit mir rumschleppen.
„Sagt mal, wo sind wir eigentlich gerade“, frage Ich so beiläufig wie möglich. Mir ging gerade die heimische TV-Präsentation durch den Kopf. Bisher hatte ich kaum Zeit gehabt, mir die Umgebung anzusehen, sonst hätte ich gewusst, wo wir gerade waren. Es wurde langsam heller und ich musste eingestehen, das ich keinerlei topographische Rückschlüsse mehr ziehen konnte. Böses Fail.
Martin meinte nur lässig: „Vor uns liegt Landolfshausen“. Wie jetzt ? Wo war denn Mackenrode ? Hatten wir das ausgelassen ? Ich frage Ihn erneut mit diesem beiläufigen Unterton in meiner Stimme, wie oft er die Brocken-Challenge denn schon gelaufen ist. Hatte er gerade geantwortet, das es seine Sechste war? Hatte Ich das wirklich richtig verstanden? Uff…

Erster Teilsieg: Weg mit dem blöden Kartenkram !

Es wird nun zunehmend heller. Wir folgen dem kompletten Straßenverlauf, er führt uns Laufgefährten gerade durch die Ortschaft Landolfshausen.

Dann eine kurze Schrecksekunde: Links rollt jemand gerade langsam mit dem Auto von seinem Grundstück die Straße hinab und ignoriert dabei die sich nähernde Laufgruppe vollkommen.
„Haaallooo, pass doch auf!“, ruft Petra. Der Wagens stoppt, wir laufen vorbei, nichts passiert. Vor dem ersten Verpflegungspunkt rennt uns plötzlich ein Junge entgegen und zählt die ankommenden Starternummern. Den ersten Verpflegungspunkt hatten wir also erreicht.

Kurz verweilt mein Blick auf den recht steilen Anstieg, der direkt hinter dem Verpflegungspunkt unübersehbar auf die Läufer wartete, dann aber lenken die vielen Leckereien auf dem Tisch des Hospiz-Pflegeteams ab. Hier lagen Dental-freundliche Knabbereien: eisige Kekse, geschält-schockgefrorene Bananen und frostige Riegel. „Besser, man lutscht das Ganze!“, denke ich hungrig; der Magen fing an wie eine Bulldogge zu knurren.

Aber erstmal hatte ich einen Mordsdurst! „Habt Ihr noch Tee…?“, frage ich hoffnungsvoll.
Der leckere, heiße Zimttee sorgt dafür, das meine gefrorenen Gedanken langsam auftauen, und flugs kommt mir die erste vernünftige Idee des Tages in den Sinn. Ich bitte einen der dort stehenden Helfer um einen kleinen Gefallen. “Ich hab hier diese Karten…“, beginne ich und drücke dem Helfer den zusammengerollten Satz in die Hand. Es war klirrend kalt und ich wollte nicht die Handschuhe und den Rucksack ausziehen. Das war momentan einfach unmöglich, allmählich sank meine Betriebstemperatur ins Bodenlose.“Einfach hinten reinschieben, ganz fest!“, bekräftige Ich das Ganze, muss dann aber kurz über diese Doppeldeutigkeit des Satzes schlucken. Eigentlich müsste Ich diesen Kartenkrempel später auf dem Gipfel gehässig verbrennen und einen Freudentanz darum machen. Denn ganz wie Frodo’s Ring im gleichnamigen Film sind die Karten bisher nur eine fiese Last gewesen. Ich trinke schnell noch zwei Becher heißen Tee, denn die Thermosflasche konnte Ich komplett vergessen, das gefrorene Wasser würde so schnell nicht wieder auftauen – wenn es denn JEMALS wieder aufgetaut werden konnte!

„Dann hoffentlich beim nächsten Verpflegungspunkt“, grübele Ich und eile Petra und Martin im lockeren Tempo den ersten,steilen Anstieg des Morgens hinterher…


[Ende Teil 7. Danke wie immer für’s Lesen, bald geht es weiter.]

[Streckenbeschreibung: © http://www.brocken-challenge.de (ASFM) | Momentaufnahmen u.a. : © NDR]

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 6]

Hallo Zusammen!

Nun geht’s ja mittlerweile in die sechste Runde! Ich läute mit diesem Teil im wahrsten Sinne des Wortes den Countdown der Brocken-Challenge 2012 ein: es wird nun…schräg!
An alle neuen Leserinnen und Leser: Die ersten fünf Teile findet Ihr in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).
UND: Lasst Euch nicht abschrecken, es gab auch viele „erhebende“ Momente meiner BC 2012 (lach).

p.s.: Würde mich sehr freuen, wenn Ihr meinen Blog bzw. diesen Laufbericht ins große,weite WWW verbreiten würdet…Ich habe schon einigen Feedback erhalten, glücklicherweise bisher durchweg Positiven, Toi Toi!

Los geht’s,
Euer Blogger und Läufer Mario


Alter Tanzsaal: Der Countdown läuft

Samstag, 11.02.2012, 04:11 Uhr frühmorgens, 2 Stunden bis Startschuß…
Ich liege auf dem Rücken, als irgendein Wecker im Raum rumpiept und Uns Spartaner aus dem Schlaf holt. Angenervt und Müde öffne Ich die Augen und schaue auf die Uhr. „Ach Du Sch…, nur 3 Stunden geschlafen…?Achnööö…!“
Erstes Geraschel und Gewusel, jemand schaltet eine Taschenlampe ein, irgendwelche Beine huschen im Halbdunkel neben meinem Schlafsack vorbei. Na, das war ja mal KEINE angenehme Nacht! Das Hainholzer Schnarchorchester knarzt immer noch echoartig durch meine Gehörgänge. Schlaftrunken fange ich an, die Umgebung zu registrieren. Stimmgeflüster und polternde Geräusche wecken mich dann aber vollends.
„Du stehst doch grad am Lichtschalter, mach mal bitte das Licht an…“, ruft gerade jemand. Dann geht die kleine Funzel der Küchenzeile an, die widerum wer anders im Vorbeilaufen betätigt hatte. Irgendwelche Leute laufen immer wieder an mir vorbei. Aha, nun verstand Ich: Die Obstsalate und Milchflaschenkisten wurde von den Helferinnen rausgetragen, genauso wie diverse Küchenutensilien.
Bin Ich also doch noch irgendwann eingeschlafen. So müde fühle Ich mich eigentlich gar nicht, wie Ich nach Erwachen befürchtet hatte. Ich war höchstens ein wenig darüber verärgert, das Ich meiner inneren Stimme letzte Nacht gelauscht, dann nachgegeben und über letztlich diverse Selbstzweifel rumphilosophiert hatte. Das war aber nun vergessen, stattdessen wieder diese ungewöhnlich hohe Anspannung, Aufregung und Nervosität. Die Psyche kann bei Menschen schon seltsam ticken.
Ich hatte meine Funktions-Bekleidung bereits am Vorabend raussortiert. Nach kurzen Streck – und Dehnübungen beginne Ich mich akribisch genau umzuziehen.
Das Umziehen der Laufbekleidung hat für mich etwas wie von einem Ritual, denn alles muss wie angegossen sitzen. Nur die kleinste Falte zwischen eine der drei dünnen Schichten, welche ich am Oberkörper tragen werde (Wir erinnern uns an Teil 3 des Laufberichts, die Equipment-Check-Liste) könnte später beispielsweise während der endlosen Kilometer u.U. für schmerzhafte Reibungen an der Brust sorgen. Nicht umsonst kleben sich ja auch Marathonis mit Pflaster empfindliche Stellen der Brust ab. Ja, Mädels, die Ihr das lest und ebenfalls Erfahrungen mit schmerzhaften Brustwarzen gesammelt habt: Lustig ist anders, gell ? Aber wir sind ja nicht beim Braveheartbattle, wo schmerzhafte Blessuren ausdrücklich erwünscht sind. Nein: Hier gehts um einen winterlich angehauchten Ultramarathon-Lauf bei bescheidenen Minus 20 Grad und kälter, da kann ja schon die allerkleinste Fußblase zu blutig-albtraumhaften Ergüssen bis hin zur Aufgabe des Wettkampfs führen. Im Ernst: Blasenschmerzen können schrecklich sein! Naja, wollen wir mal nicht allzu schwarzmalerische Gedanken hegen…
Irgendwie habe Ich Heute das Gefühl, das Ich beim Anziehen übertrieben lange brauche. Erneut checke Ich die sonstige Ausrüstung: Schien alles da zu sein. Jetzt noch zwei Blasenpflaster an die richtigen Stellen, fertig! Im Raum hielt sich kaum noch einer auf. Wie jetzt…? Wo waren die alle hin?
„Schnappt sich bitte noch jemand zwei Kisten Milch?“, höre Ich noch eine Helferin rufen, dann verschwindet auch Sie mit einige dieser kleinen Kisten fleissig-klappernd aus dem Raum. Ich schaue ihr hinterher und packe nun etwas hektischer werdend mein übriges Zeug zusammen: Isomatte unter die Arme, Trinkrucksack umgeschnallt, Trekking-Stöcke, zwei Kisten Milch sowie Schlafzeug. Obwohl Ich nun eher wie ein Packesel aussehe und keine freie Hand mehr übrig habe, schaffe ich es trotzdem irgendwie, alles mit mir zu schleppen und rauszutragen.

05:00 Uhr

Plötzlich das Bedürfnis, unbedingt auf Klo zu müssen…ja Klasse!
Also raus mit dem ganzen Krempel und links herum, dort befanden sich ja die Toiletten. An die provisorische Wegbeschreibung konnte ich mich ja noch dunkel erinnern

Nachdem auch das überstanden war, wieder ab nach draußen und endlich mal runter zum alten Tanzsaal. Dort war schon gut was los, es herrschte im Vergleich zum Vorabend Ausnahmezustand!
Meine Trekking-Stöcke, Die Isomatte und das Schlafzeug hatte Ich zunächst in eine Ecke nahe dem Eingangs-Tor deponiert. Viele Läufer waren ebenfalls schon auf den Beinen, frühstückten oder unterhielten sich.
Dazwischen sah man immer wieder das Kamerateam des NDR herumwuseln. Der Geruch von Kaffee weckt mein Interesse, und zielstrebig bewege Ich mich zu den Kaffeekannen. Dann jedoch sehe Ich aus dem Augenwinkel eine bestimmte Person und verbanne den Kaffee (leider) erstmal wieder gedanklich.

„Erst einmal ist es jetzt wichtig, herauszufinden, was mit besagtem Übernachtungskram machen…“, dachte ich. Aber Ich habe bereits eine Idee, wohin damit. Gerade wird Markus Ohlef vom NDR interviewt. Ich will nicht vor die Kamera laufen, also schleiche Ich unauffällig außen herum.
Dichtes Gedränge, der Saal füllt sich zusehens! Jeder will sich vor dem Lauf bei der sehr reichhaltigen Frühstücks-Auswahl stärken. Das Interview wollte kein Ende nehmen.
„Gut, dann doch nen heißen Kaffee!“

05:20 Uhr

Währenddessen ein kurzer Blick auf die Uhr, die Zeit blieb ja schließlich nicht stehen. Nun fällt mir auch noch ein, das Ich mich mit Rolf „Rolli“ Schünemann treffen wollte! Mann! Den hätte Ich ja fast vergessen! Der hätte nämlich für mich noch eine Thermosflasche, meine Notlösung, für alle Fälle. Aber ehrlich gesagt wusste Ich grad gar nicht, wie der aussah. Also schlürfe ich weiter meinen Kaffee, beobachte die vielen Läufer bei Ihren Aktivitäten und hoffe darauf, das Markus bald Zeit haben würde für mich. Wie auf Kommando entfernt sich just in diesem Moment das Kamerateam. Ich also zu Ihm rüber:„Markus, kann Ich Dich kurz sprechen?“, rufe Ich Ihm zu. Ich muss schon fast schreien, da die Geräuschkulisse im Saal zusehens lauter wurde.
„Ja, klar, was gibt es?“, entgegnet er gutgelaunt. Ich erkläre Ihm kurz die Situation.
„Jaaah, hmm…am Besten wird es sein, wenn Du mal den Mark ansprichst“, schlägt er vor und zeigt mir auch,wo der gerade im Saal stand.„Der Mark macht später nen Zwischenstop in Barbis…“.

Er wünscht mir noch viel Glück, aber kaum hat er mir weitergeholfen, steht schon der Nächste Läufer bei Ihm. Und wie sieht nun eigentlich dieser Rolf aus ? Dann sehe Ich die leckeren Käsebrötchen-Hälften auf einem der Tische, schnappe mir eine davon und bahne mir kauend den Weg zum Mark.

Wahnsinn, dieses Gedränge! Das ist ja wie auf der Haushaltsmesse in Hannover hier! Ein beinahe überfüllter Laden, aber bestimmt kommt mir das auch nur so vor. Gern würde Ich auf die letzten Minuten noch ein wenig auf einer Sitzbank relaxen, aber dafür habe Ich gerade einfach keine Ruhe. Ich habe jetzt schon das Gefühl, das Ich bei dem Rumgelaufe im Saal schon den ersten Kilometer gelaufen bin. Unterwegs hatte Ich jemanden auf „einen gewissen Rolf“ angesprochen, der mir jedoch auch nicht weiterhelfen konnte. Was solls, das lief ja – noch! – nicht weg.
Die einen kauen gemütlich an Ihr Brötchen oder Essen Müsli, während andere Läufer in Gesprächen vertieft sind…aber ich habe mittlerweile das Gefühl, keines von dem genießen zu können, denn ich war hier am hetzen. Endlich bei Mark angekommen! Auch Ihm erklärte Ich kurz die Sachlage. „Hmmm, wir könnten Deinen Krempel ins Auto packen. Komm mal mit…“. Ich danke Ihm, packe die Isomatte sowie Schlafzeugs und folge Ihm nach draußen zum Auto. „Mann, ist das frisch“, beginne ich leicht zu frösteln. Irgendwie bekomme Ich gerade noch so mit, wie Mark was von einem Obi erwähnt, den Ich in Barbis ansprechen soll wegen meiner Sachen. Er würde die Sachen deponieren.„Jojo, wird schon,hauptsache, erstmal den Krempel loswerden“, dachte Ich erleichtert. Als Ich sah, wie der rote Rucksack und die Isomatte im Kofferraum verschwand, hatte sich auch das letzte Problem auf meiner Checkliste in Wohlgefallen aufgelöst. Na also,geht doch! Hurra! „Nun blieb doch sogar noch Zeit, ein paar Fotos zu schießen und sich ein Brötchen reinzupfeiffen,oder ?“, denke Ich euphorisch und hole meine Kamera raus. Mark verabschiedet sich derweil und wandert zurück zum Tanzsaal.
Nun wurde auch draußen das Gedränge zunehmend größer. Mir gehen soviele Gedanken durch den Kopf. Hatte Ich wirklich an alles gedacht ? Trotz Magenknurren hatte Ich keine Lust, bei der Kälte was zu Essen. „Rolf, Rolf, wie siehst Du denn nun aus ?“, überlege ich als nächstes. Ach, hey, da vorn am Eingang steht ja Aschu…Perfekt! Ich muss nun fast schreien, damit er mich hört. Aschu überprüft gerade irgend eine Liste. Es folgt eine kurze Erklärung meinerseits, er muss nicht lange überlegen.„Pass mal auf, Mario, den rufen wir einfach aus…“, schlug er prompt vor. Aschu’s Stimme ist jedoch etwas krächzig, wie schon am Vorabend im Hörsaal,aber irgendwie bin ich guter Dinge, das jeder Ihn im Saal beim Ausrufen verstanden hatte. Dann fällt mir schlagartig was ganz anderes ein – der Trinkrucksack! Ach Du Heilige Sch….! Den muss Ich noch auffüllen mit meinem isotonischen Pulver. Der musste warten. Ging erstmal nicht anders. Ungeduldig warte Ich auf Rolf, aber vermutlich hat der bei dem Lärm doch nichts mitbekommen. Da Aschu beschäftigt war, wollte Ich nicht weiter stören, immerhin war es ein Versuch wert gewesen.„Gut, muss die Thermosflasche warten, hat nun keinen Sinn, also bleibt nur der Trinkrucksack als einzige Option“, grübele Ich und renne kurzentschlossen wieder nach oben in die spartanische Luxus-Suit, um die Trinkblase mit Wasser zu befüllen. Ich betätige den Wasserhan der Küchenzeile, aber leider kam nur eiskaltes Wasser heraus.„Verdammt, auch das noch…“, fluche Ich und renne wieder raus. Dann höre ich Stimmen in der Panorama-Suit, hier sind ja tatsächlich noch Läufer. Hier fand sich – oh Wunder – auch einen Wasserhahn, sogar mit warmem Wasser. Das mit der Luxus-Suit werde Ich wohl nochmal überdenken müssen,tztz… hier jedenfalls haben die Läufer Friederike und Dieter gerade dieselbe Idee, darum muss Ich mich kurz gedulden. Einen von Ihnen – Dieter alias Ultra-Habicht – kannte Ich sogar von einem seiner interessanten Berichte seiner Webseite Laufkultur.de
“ So, Du kannst“, ruft mir Dieter zu und schreckt mich aus meinen Gedanken auf. Ich Danke Ihm und mache mich am Wasserhahn zu schaffen. Dadurch aber,das Ich im rückseitigen Fach meines Rucksacks noch ein dünnes Ersatz-Oberteil und die nötige Pflichtausrüstung reingestopft hatte, konnte Ich nun nicht so recht die Trinkblase befüllen. Viel passte nicht mehr rein, höchstens 500 ml, also 1/3 der Gesamt-Kapazität – Mist! Über den plötzlichen Zeitmangel und dem ganzen übrigen Trara fing Ich innerlich an zu fluchen. Den Rucksack hatte ich bei der aufkeimenden Hektik nebenbei auch noch ordentlich durchnässt, aber was solls…
Als Ich fertig war, winkte Ich allen zum Abschied und wünschte einen guten Lauf!

05:52 Uhr

Auf dem Rückweg in den Tanzsaal entdecke Ich am Eingang Torsten, den Kumpel von Björn – eben DER Torsten,der mir die Isomatte geliehen hatte. Erfreut will Ich ihn grüßen, als mir jedoch schlagartig etwas klar wird…ISOMATTE ! Mein Kiefer klappt – sicherlich hörbar! – nach unten. Innerlich war Ich am stöhnen, denn das Teil war – richtig! – im Kofferraum von Mark. Was hatte Ich mir denn dabei gedacht?
Spätestens jetzt beschimpfe ich mich im stillen mit derart vulgären Ausdrücken, die wohl einer Kindergärtnerin die Schamesröte ins Gesicht getrieben und dabei die Ohren gewaltig zum schlackern gebracht hätte. Und die Uhr tickte nun erbarmungslos die letzten Minuten runter!

Glücklicherweise sehe Ich Mark in der Nähe des Saal-Eingangs stehen. Irgend ein Lied ertönt plötzlich und die Läufer setzen sich alle plötzlich in Bewegung. „Hi Mario! hast Du die Matte?“, fragt er mich. „Kleinen Moment, Torsten, die – äh – hole Ich eben!“, erwidere Ich, wohl mit etwas hektischer Stimme, und laufe erneut zu Mark rüber. Dieser guckt mich komisch an,aber er erbarmt sich und geht mit mir erneut zum Auto, um die Isomatte wieder rauszuholen.
Was wird DER sich wohl bei der ganzen Aktion gedacht haben…? Ne! Ich will-es-nicht-wissen!

05:58 Uhr

Letzter Versuch mit Rolf.
Während alle weiterhin nach draußen in die kalte Dunkelheit strömen, will Ich als einziger wieder rein.
Ne, ist klar! Das Ganze Absurdum erinnert mich gerade an so nen Film über eine nahende Natur-Katastrophe: Alle Bewohner sind auf der Flucht und wollen einfach nur raus, ein einzelner Held will aber unbedingt nochmal in die Stadt. Nur: Ich bin gerade kein Held, eher ein zerstreuter Schussel, und am ALLERWENIGSTEN bin Ich gerade bei der Sache.
Irgendwer schrie gerade „Rooollüüü!“, ich drehe mich in die Richtung und habe nun eine ungefähre Ahnung, wer Rolf ist und wo er gerade steht. Ich laufe also auf Ihn zu und frage unverblümt:„Sag mal, Bist Du der Rolf ? Wir hatten per Facebook miteinander getextet, ging um Thermosflasche und Mütze, erinnerst Dich?“. Seinem Blick nach zu urteilen wusste er sehr wohl,um was es ging. Ein Glück! „Wo warst Du denn? Die anderen haben ihren Kram längst von mir bekommen. Hmm, Dann lass uns mal schnell zum Auto, kann Dir aber nicht mehr versprechen, das Ich noch an die Mütze rankomme, Pulle dürfte nicht das Problem sein…“Die Mütze war jetzt nur optional. Vor Wochen hatte ich mal meine atmungsaktive Funktionsmütze verschlampt. Nun trug ich aktuell eine Sturmhauben-Schlaufschal-Kombo. Ich schaute hinter mich. In einiger Entfernung warteten die Läufer derweil schon auf den Startschuss. Ach Mann, jeden Moment würde es losgehen…!

„Lange Geschichte, Rolf. Ich kenn hier auch die Meisten gar nicht, auch Dich konnte Ich leider nicht zuordnen. Hmmm, vielleicht entschließe Ich mich ja mal, das Ganze aufzuschreiben, sofern Ich jemals ankommen sollte auf dem Brocken…“, versuche Ich zu scherzen. Bei der Schweinekälte, den derzeitigen Umständen und meiner steigenden Nervosität war das jedoch ein sehr,sehr kläglicher Versuch. „Achwas, Nur die Ruhe…“, versucht Rolf aufzulockern,wühlt dabei im Kofferraum rum und fischt dann eine Pulle aus eine der vielen, gestapelten Kisten.„Eine bestimmte Farbe gefällig?“, fragt er mich. Ich blicke erneut zu der versammelten Menge in der Ferne. Die waren alle längst Startbereit. Schwach höre bereits die Ansprache von Markus Ohlef an die startbereiten Läufer. Das konnte jeden Moment losgehen…! Gott……..
„Ne, gib mir einfach nur irgendeine!“, entgegne ich, und versuche, nicht allzu nervös zu klingen. In Wirklichkeit wäre Ich am liebsten losgerannt! Er drückt mir (nach einer gefühlten Ewigkeit!) lässig eine grüne Thermosflasche in die Hand. Ich will mich gerade bedanken, als er noch weiter kramt. „Lass das mal mit der Mütze, Rolf“, dann bedanke ich mich fix und renne zurück zum alten Tanzsaal. „Und was is mit der Kohle?“, schreit er mir hinterher. „Moment, hole Ich im Saal raus! Ich will nur fix die Flasche auffüllen, will den Start nicht verpassen!“, schreie Ich zurück. ich spüre regelrecht den verdatterten Blick von Rolf in meinem Rücken, als Ich quasi wegrenne. Dann endlich erreiche Ich den Saal – Ich war bis auf die HelferInnen der einzige!

06:03 Uhr !

Rolf ruft mir vom Eingangs-Tor des Saals noch was zu.„Du, Das mit der Kohle machen wir später. Die läuft nicht weg. Wir bleiben in Kontakt.“ Dann war er weg. Ich rufe Ihm noch ein hastiges Danke! hinterher, während Ich energisch versuche, die Hartplastikverpackung der Thermosflasche bei der Eiseskälte mit Händen und Zähnen abzureißen. „Geh auf du Verdammte Flasche, Hrrrrrrrgn!!!!!!!!“ Besorgt schaut mich eine Helferin an.
„Ähm…Brauchst Du Hilfe?“, höre Ich Sie fragen. Keiner mehr im Saal, alle waren an der Startlinie, endlich hatte ich auch die Verpackung zur Hälfte abgerissen.
„Ja, habt Ihr noch Tee?“, fragte ich abgenervt.

Da ertönt plötzlich der Startschuß in der Ferne und Ich werde derbst Kreidebleich im Gesicht!


[Ich sehe förmlich nun Euer entsetztes Gesicht…aber wenn ihr glaubt, das Dilemma lässt sich nicht steigern,haha….wartet auf Teil 7, es gibt IMMER eine Steigerung!]

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 5]

Hallo Allerseits!

Viel Spaß beim Lesen des nunmehr fünften Parts – dem vermutlich längsten Teil ! Splitten wollte ich den Abschnitt Übernachtung nämlich ungern.
Aber immerhin haben wir es nun umgerechnet auf Seite 14 (von insgesamt 84 DINA-4-Seiten !) geschafft. Ich sag ja: Der Bericht wird ‚ultralang‘, hat nicht umsonst vier Wochen gebraucht, bis er fertig wurde, grins…na, seid Ihr bei Kilometer 14 schon schlapp auf die jungen Tage ? Nein ? Die bisherigen Teile findet Ihr wie gehabt in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).

Let’s go,

Viele Grüße,
Euer Mario


Schon machte ich mir Vorwürfe!

„Mario, Mario, da bekommst einen Beutel mit Unterlagen und den wolltest wohl erst zuhause auspacken oder wie…?“, dachte ich verärgert. Da bin Ich zum Ersten Mal in einem Hörsaal, geniesse das ganze Drumherum, aber verpenne schon bei der Startnummernausgabe wesentliche Details. Böses Fail ! Stumm und möglichst unauffällig krame Ich also in besagtem Beutel, um herauszufinden, was da alles drin war: Ein Brocken-Challenge-Shirt, ein paar Müsli-Riegel, eine in Klarsichtfolie verpackte Rufnummernliste, sowie die Starternummer – jedoch ohne die passenden Sicherheitsnadeln.
„Wie immer, ist wohl schon ein stiller Running-Gag…“, murmelte Ich in meinen Bart. Die Geschichte ist schnell erzählt: Bei meinen bisherigen Wettkämpfen fehlten stets diese Befestigungshilfen, als böses Omen hatte ich das bisher jedoch nicht gewertet…nun wurde ich aber doch stutzig. „Da soll ein Zettel drin sein…? Wo denn?“, dachte ich verwundert. Ich musste glatt zweimal schauen.
Da hatte man einen Nanopartikel-Großen Schnipsel beigefügt, auf dem doch tatsächlich stand, wo man sich einzufinden hatte. Aber nun verstand ich das Ganze. Es handelte sich ja nicht um irgend einen Ultramarathon, weit gefehlt. Das gehörte sicherlich alles zum großen Plan. Ich musste im übrigen nicht auf den Zettel schauen, denn ungelogen: selbst bei einer fifty-fifty-Chance kannte Ich mein Glück! Ich hatte dann trotzdem einen Blick riskiert,aber wider erwarten….
“Bingo, Es geht in den Reiterhof, Jungs“, dachte ich…ärgerlicherweise wohl ein wenig zu laut, jedenfalls schauten einige neugierig rüber. „Jo, dann folge doch dem andern Läufer, der bereits losgezogen ist“, rief mir jemand zu. Ich konnte dann nur grinsen, fehlte von Ihm doch bloß noch ein Jens’scher Abschieds-Spruch,sowas wie„…und viel Spaß bei den Pferden, mmmmuhahahaha!!“, aber hey! – Ich blieb verschont. Die hatten alle mit sich selbst und dem Auspacken des Schlafzeugs zu tun – mein Glück. Egal, es ging also wieder raus in die Kälte – so ein Pech.

Willkommen im Wilden Westen

Kaum hatte Ich also das Gasthaus verlassen, schlug mir der Wind kurz, aber eisig entgegen – ganz fies!
Zwar hatten wir es aktuell laut Smartphone-App Minus 13 Grad (gefühlte Minus 17 Grad), aber das tat halt nichts zur Sache, denn so richtig brutal Kalt sollte es ja erst noch werden.
Außerdem waren diese Temperaturen nichts neues, für Hannover zeigte mir die Wetter-App dieselben Temperatur-Werte an…wie schon die letzten Tage.

spartanisch kommt von Spartaner…oder?

Beim Hainholzhof soll sich ja oberhalb des Jägerhauses der Reitstall befinden. „Okay, dann mal los…“, dachte Ich, packte also meine Satteltaschen und ging los.
Hinter mir entfernten sich langsam die behaglichen Lichter des Jägerhauses, das Ganze erinnerte frappierend an Hänsel und Gretel vs. Shining. Um mich herum alles stockenduster! Es blieb nur der durch den Schnee erkennbare, moderat ansteigende Straßenverlauf, der sich dann irgendwo oben in der pechschwarzen Nacht verlor. Das hatte was spannendes, und so stapfte ich neugierig nach oben. Es war traumhaft gruselig, hier wurde wirklich was geboten fürs Geld !
Oben angekommen folgte ich der dunklen Straße noch ein Weilchen, bis es wieder heller wurde. Zunächst ging es am alten Tanzsaal vorbei – nur schwach beleuchtet durch eine kleine Außenfunzel – dann erreichte ich auch schon den Reitstall. Hier war alles Mucksmäuschenstill. War ich denn überhaupt richtig hier? Ah! Dort! Da hatte man doch glatt die Außentüren beschriftet. Beispielsweise stand an einer metallenen Eingangstür unübersehbar, das diese doch bitte geöffnet bleiben soll, weil hier Leute übernachten würden, Ausrufezeichen, Ausrufezeichen. Ich also erstmal rein…
Hier befanden sich über den Ställen die Räumlichkeiten: zwei Räume, die sich zwar mit dem Jägerhaus den gemeinsamen Nenner ländlich-rustikal hätten teilen können, aber ansonsten eher einen brutal-spartanischen Eindruck machten. Ich war absolut zufrieden, denn es war vollkommen ausreichend !
Da fiel mir nur noch eines ein zu sagen: Für Sparta!

Panorama – oder Luxus-Suit ?

Der erste Raum wirkte etwas kleiner. Dort hätte man die Panorama-Suit gebucht, denn die komplette Fensterfront mit Blick auf die Reithalle im Erdgeschoß machte schon echt was her !

Ich wollte aber erstmal weiter, daher bin ich flugs wieder aus dem Raum raus, den nächsten Treppengang hoch, durch eine weitere Tür. Ich befand mich nun in einem weiteren Flur. Entscheidungen, Entscheidungen: Rechts von mir führte ein weiterer,schmaler Gang zu den Toiletten, vor mir eine weitere Tür, der zweite Übernachtungsraum.
Dumpfes Stimmengewirr im innern: Aha, da war also schonmal mehr los!
Als Ich den Raum betrat und allen einen guten Tag gewünscht hatte, wanderte der Blick neugierig durch den Raum. Vermutlich handelte es sich um einen umgebauten Dachboden oder so?
Gestapelte Tische und Stühle an der Wand, ein kleines Fenster, rechts eine Küchenzeile, das wars.
Da hier schon einige Leutchen Quartier bezogen hatten und die Stimmung recht locker war, fiel die Entscheidung nicht schwer zu bleiben. Ich entschied mich also für die spartanische Luxus-Suit.

Hier wurden bereits die Isomatten ausgelegt, und so suchte Ich mir ebenfalls ein flauschiges Plätzchen zum Wohlfühlen

„Ick hab hier die Punika-Trinktüten, die pack ick mir hinnen rein, datt hält die dann schon warm !!“

Als Ich das riesige, komfortable Luftkissenbett zum ersten Mal erblickte, dass da vor der einzigen Heizung im Raum majestätisch thronte, konnte Ich mir wirklich schwer vorstellen,dass das zu dem Standardrepertoire eines Ultramarathonläufers gehörte. „Das war doch ein übler Scherz, oder…?“, dachte ich. Die beiden Männer, die darauf schlafen wollten, reisten jedenfalls mit Stil.
Gerade unterhielt Ich mich mit dem Älteren von beiden, sein Name war Thorsten. Und was hatte es nun mit den Punika-Trinktüten auf sich? So richtig hatte ich nie verstanden, ob es dabei schlicht um ein Oberteil ging mit Taschenkombo im Gesäßbereich, oder was auch immer. Fakt war, es handelte sich tatsächlich um schlichte Trinktüten aus dem Supermarkt, die er sich da reinstecken wollte. Das verwirrte mich zusehens. Waren diese Ultra-Typen schon derart abgebrühte Kerle?
„Die reichen vollkommen aus, da brauchste NIX anderes mehr, ick hab damit allerbeste Erfahrungen gemacht, glaub man !!“
Ich entgegnete:“Und das ist Dein Ernst ? Also Thermosflasche oder Trinkrucksack eher ni—?“
„ Nee, nee!! Datt System reicht vollkommen! Meene Strategie !! Ick bin schon den Rennsteig damit geloofen!“ Es stellte sich heraus, das sein Kumpel der verständnisvolle Sohn war und sich nun ebenfalls zu Wort meldete. „Ja, sag Ick ja selber. Aber lass Ihn ma machen, meen Vadder ,der will dat ja so, soller dabei droof gehen! Ick begleit Ihn nur, er ist der Läufer, musser selber wissen.“
Innerlich musste Ich grinsen: soviel Abgebrühtheit, Klasse! Man bedenke: Wer einen von den 160 begehrten Teilnehmerplätzen ergattert hatte, es wirklich durchziehen wollte, sich monatelang auf den Lauf vorbereitet hatte und auch schon mehr oder weniger Vorerfahrung mitbrachte…der musste es ja eigentlich wissen,oder ? Hier ging es immerhin um einen Ultramarathonlauf. Hier sollte jeder wissen, was er tut.
Da gibt es die Ernsten Läufer, die Verbissenen, die Ehrgeizigen, die Stillen, die Lustigen, die Lebensmüden, die Skurillen…irgendwie versuchte ich gerade, Thorsten’s Kommentare kategorisch in irgendeine der Schubladen einzuordnen. Es wollte mir nicht ganz gelingen.

Joe „Brockenhexe“ Kelbel

„Wie, Ihr seid Vater und Sohn ???“
Während Ich gerade meinen Krempel (Rucksack mit Gels bestücken, GPS-Uhr und Handy nochmal aufladen, Funktionsbekleidung raussuchen usw.) für morgen früh ordnete, unterhielt sich Vater-Sohn-Gespann mit einem weiteren Teilnehmer, der da schon eine Zeitlang sehr lässig sein Bier süppelte und uns aufmerksam beobachtete. Er hatte in der Panorama-Suit sein Quartier bezogen und wollte wohl mal wissen,was hier so los war. Es stellte sich heraus, das er Joe Kelbel hieß. Er machte auf mich umgehend den Eindruck eines Vietnam-Veteranen, vielleicht assoziierte sein Äußeres auf mich auch nur so etwas in der Art von einem Reinhold Messner A.K.A. Chuck Norris. Gerade war Thorsten dabei, dem Joe die Trinktüten-Geschichte zu verkaufen. Das war glaube Ich, wie, als wenn man nun selbstlos ein paar Benzin-Kanister ins Osterfeuer werfen würde…
„Hahaha, das nich euer Ernst, oder? Trinktüten? Die Dinger kannste dann beim Laufen LUTSCHEN !!!“ Ein anderer Zimmergenosse hatte seinen Trinkrucksack liegen und meinte dazu nur:
„Das hier ist ein Trinkrucksack mit isoliertem Trinkschlauch und alubeschichteter Trinkblase, normalerweise für solche Verhältnisse konzipiert…ich hab die Blase aber ausgebaut, macht wirklich keinen Sinn, sowas zu nutzen, es ist brutal Kalt draußen….“ Als Ich das hörte und den Trinkrucksack sah, kam mir das Ding nur allzu bekannt vor: Denselben hatte ich ebenfalls! Spätestens jetzt wollte ich es aber erst recht ausprobieren. Eine gewisse Unruhe keimte aber doch in mir auf…
Der verbal-lustige Schlagabtausch unterhielt die übrigen Zimmergenossen noch eine ganze Zeit lang. Doch hier bekam fast jeder sein Fett von Joe weg. Ich lag nur auf meinem Schlafsack, die Arme hinter meinem Rücken verschränkt, und schaute grinsend zu. „Ich bin eigentlich hier der Novize“, dachte ich lachend, macht Ihr mal nur und schaukelt Euch den Abend noch gegenseitig mit Sprüchen hoch.
Währenddessen wurde im Hintergrund von zwei sehr fleißigen Helferinnen Frühstück für Morgen vorbereitet. Hauptsächlich wurde frischer Obstsalat zubereitet, das sah schon sehr lecker aus.
„…da hab Ich hab aus den Marathon-Shirts ne Decke zusammengeschnippelt“, hörte ich gerade Joe reden. „Um was ging es jetzt wieder?“, dachte ich grinsend.
„Wartet ma nen kurzen Moment, gleich wieder da!“, rief Joe, verschwand aus dem Raum, um kurze Zeit später mit einer überdimensional großen Bettdecke alle Anwesenden zu überraschen.
Das war sein Ernst: die Idee gefiel mir! Nun machte es Sinn, dieses Jahr weitaus mehr Marathonläufe wie geplant zu absolvieren.

späte Selbstzweifel

Nachdem sich Brockenhexe Kelbel von einigen noch ablichten ließ, verschwand er wieder gutgelaunt mit seinem Bier. Nach und nach kroch jeder in seinen Schlafsack…

Die Helferinnen waren auch längst weg. Die Lichter erloschen und es dauerte nicht lange, bis es gänzlich ruhig wurde. Diese innere Unruhe, wenige Stunden vor dem großen Moment…ätzend.
Nochmal innerlich alles durchgehen wollte Ich nicht, es war dafür eh zu spät. Ob Ich meine Hausaufgaben richtig gemacht hatte, würde sich ja bald herausstellen. Aber trotzdem konnte ich nicht schlafen. Eigentlich lag ich für Schlafsack-Verhältnisse recht bequem. Äußerlich war alles den Umständen entsprechend – aber innerlich wollte sich die Ruhe nicht einstellen. Verdammt! Neben mir begann der Kollege doch tatsächlich zu sägen. Musste das sein ? Wenn Ich etwas hasse, dann ist es Schnarchen…ach, na toll,das war’s doch endgültig mit Schlaf!
Irgendwann gesellte sich eine zweite Scharchnase dazu, dann eine dritte. Kein Witz! Ich wälzte mich so gut es ging in dem engen Sack herum, lag nun auf dem Rücken, starrte die Dachbalken an. Das Schnarchkonzert versuchte Ich irgendwie zu ignorieren, absolut ohne Erfolg. „Warum mache ich das Ganze eigentlich“, fing nun auch schon meine innere Stimme an, mich zu nerven. Die konnte wohl auch nicht schlafen bei dem Krach. „Mal im Ernst, Mario: Alle Welt fragt Dich das, und nicht einmal Du hast groß eine Antwort drauf?“ Aha, jetzt erst traut er sich raus,der Skeptiker in mir. „Zu spät dafür“, dachte ich. Ich schaute zwischendurch auf die Uhr: 01:12 Uhr. Herrjeh…

Drei Stunden später klingelte der Wecker!


[Ende Teil 5. Danke für’s Lesen, bald geht es weiter!]

Brocken-Challenge 2012 | eine ‚ultrakurze Laufgeschichte‘ von Mario Bartkowski [Teil 4]

Hallo @ All!

Hier liefere Ich nun den vierten Teil.
Die bisherigen Teile findet Ihr in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).
Ich möchte mich für das bisherige Interesse und Feedback bedanken, macht Spaß, mit Euch jedesmal in den Delorean zu steigen und zurück in die Vergangenheit zu reisen.
Okay, dann also wieder rein und ab geht’s!

Liebe Grüße, Euer Mario


Die Vorbesprechung: irgendwo zwischen Alaska…

Freitag, 10.02.2012, 18 Uhr
Die Eingangstüren öffnen sich und drei weitere Personen betreten das IfS der Uni Göttingen.
Torsten und Björn kennen sich aus und peilen direkt den hinteren Treppenaufgang der Eingangshalle an. Oben angekommen, stehen wir an provisorisch aufgebauten „Empfangs-Tischen“ der Startnummernausgabe.
Hier werden die Teilnehmer von den freundlichen Helfern des ASFM begrüßt. Während sich verschiedene Teilnehmer gerade angeregt unterhalten und eine lockere Stimmung unter den Läufern herrscht, erspähe ich doch tatsächlich einen Husky, der es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hatte und mich in diesem Moment mit seinen blauen Augen aufmerksam taxierte.
„Na aber Hallo! Wie geht’s Dir ? Chillst hier entspannt ab, was ?“, beginne Ich zu scherzen, während Ich in die Hocke gehe, aber Er starrt mich einfach nur mit diesen eisblauen Augen an und denkt sich dabei seinen Teil.„Mit Deinem ausdrucksstarken Blick hast hier wohl alles unter Kontrolle, was? Genau, halt die Stellung, Kumpel!“, murmele ich grinsend. Ich stehe wieder auf, aber es fällt schwer, den Blick abzuwenden. Das will bei diesen Augen gar nicht so richtig gelingen. Dabei fiel mir etwas ein: Den Husky kannte ich doch aus dem NDR-Kurzbericht von 2009! Demnach müsste es sich vielleicht um Schlittenhund Freyja handeln…oder? Aber wo war dann Halter Andree ? Unsicher darüber schaute Ich mich wieder um. In diesem Augenblick erkannte Ich Andree und wollt gerade auf den Husky zu sprechen kommen, als er sich umdrehte und über den nächsten Treppenaufgang nach oben verschwand. Schade!Was solls, hinterher, oben kann sich ja nur der Eingang zum Hörsaal befinden. Björn hatte bereits seine Startnummer abgeholt und war mit Torsten ebenfalls nach oben unterwegs. Ich setzte fix meine Kreuze auf die Liste, bedankte mich für den Starterbeutel (in diesem befanden sich diverse Unterlagen, dazu später mehr) und folgte den beiden.
Oben angelangt, befindet man sich aber zunächst immer noch nicht im eigentlichen Hörsaal, sondern in eine Art Garderoben-Vorraum. Es wurde voller, ein echtes Gewusel, man hatte trotzdem nicht ein einziges Mal das Gefühl, sich wie verloren vorzukommen. Auch wenn Ich hier keinen kannte, so fühlte Ich mich wohl, wie unter langjährigen Freunden – kann man schwer beschreiben.
Aus dem Hörsaal tönten leise die Klänge eines mir bekannten Blasinstruments. Hätte ich mir gern genauer angesehen, aber erstmal hieß es jedoch noch, sein Equipment abzustellen und die in einem Kleiderbeutel vorgepackten Wechselklamotten für den Brockengipfel in einem speziell für jeden Teilnehmer vorbereiteten und nummerierten Platikbeutel umzufüllen.
Gesagt, getan, abgegeben! Klasse Organisation!
„Nun aber endlich in den Hörsaal“,dachte Ich ungeduldig. Als Ich dann den rappelvollen Saal betrat, überraschte mich dann doch die Größe, diese war vergleichbar mit der eines kleinen Kinosaals.

…und Australien?!

Da unten – nahe des Rednerpults – saß jemand, machte äußerlich einen vollkommen relaxten Eindruck, hielt sein Blasinstrument vor sich und spielte die schönsten Klänge damit (böse Stimmen würden nun behaupten, das hätte Ich absichtl. so formuliert, tztz..). Wer aber so verrückt wie ich in den letzten Wochen die Webseite des Veranstalters studiert hatte (sogar bis auf das Kleingedruckte), wußte auch, das es sich nur um Markus Ohlef handeln konnte und dies einer seiner zahlreichen Hobbies ist: Didgeridoo spielen!
Man könnte natürlich die Vermutung anstellen, dass der erste Vorsitzende des ASFM in diesem besonderen Moment Minuten vor der offiziellen Eröffnungsrede innerlich angespannt war (die bisher größte Teilnehmerzahl ever, die immense Logistik, das Kamerateam des NDR und ‚was-weiß-ich-noch-alles‘, kurzum, ein gewisser Druck) aber äußerlich bewies er irgendwie gerade – Coolness!
So hatte Ich Ihn auch eingeschätzt. Meine prompte Vermutung: Seit Bestehen des Vereins 2004 wächst selbstredend die Anzahl von Vereinsmitgliedern sowie freiwilliger Helfern.
Und auch wenn sicherlich jede Brocken-Challenge eine alljährlich nicht zu unterschätzende, organisatorische Meisterleistung darstellt, so dürfte die Verantwortung für Markus zwar stets dieselbe sein, der allgemeine Stressfaktor aber nicht mehr so immens wie noch Jahre zuvor (Hau mich, Markus, wenn das nicht stimmen sollte). Nichtsdestotrotz: Alle machen Jahr für Jahr einen großartigen Job!
Mein Blick wandert weiter durch den Raum, und erstmals kann Ich so manches Gesicht auch mit denen aus diversen Videos, Bildern, Facebook-Profilen, Laufberichten und Blogs in Zusammenhang bringen.
Überall unterhalten sich Läufer miteinander, eine tolle Atmosphäre.

Klasse Gefühl, hier unter Gleichgesinnten zu stehen, mit denen man Interessen austauschen und über bereits erlebtes lachen wie weinen konnte. Die Klänge endeten plötzlich, Markus stand unter kurzem Beifall auf und ich wusste, nun sollte es auch schon losgehen.
Bereits im Vorfeld hieß es, das die Vorbesprechung diesmal nicht so umfangreich und detailliert stattfinden sollte wie üblich. War mir egal, ich fühlte mich – was Streckenführung anbelangte – glücklicherweise nicht gänzlich unvorbereitet. Aber Erstens kommt es ja immer anders, und zweitens als man denkt…
„Ich begrüße alle Teilnehmer der diesjährigen Brocken-Challenge…“
Ich ließ mich von der Eröffnungsrede berieseln: Begrüßung aller Teilnehmer, Markus‘ kleinen Anekdoten aus vergangenen Tagen, der allg. Vorstellung des Orgateams, den diesjährigen Spendenempfängern…dem ganzem drumherum halt. Immer wieder wurde applaudiert, Beifall geklatscht, gejubelt. Vollkommen zu Recht!

Aha, das ist also…!

Markus räumte nach seinem Vortrag das Podium für einen anderen Herrn, und siehe da, als der Gute sich vorstellte, musste Ich doch glatt grinsen.
Das sollte also der Andreas „Aschu“ Schulze sein, denn dieses Gesicht kannte Ich wiederum aus einer privaten Filmdokumentation der Brocken-Challenge 2008 von Sascha Heppe. Als Aschu damals in dieser Filmdoku gefragt wurde, ob er das erste Mal dabei und dies sein erster Ultra sei, bejahte er das lässig und meinte noch wie beiläufig, das er vorher nur Marathon gelaufen wäre. Überhaupt war die schon damals lockere Einstellung von Aschu zum ersten Ultra eine meiner kleinen Motivations – und Entscheidungskriterien, diesen extremen Lauf in jedem Falle von A bis Z durchzuziehen.
Der Typ war auf Anhieb symphatisch. Er versorgte die Facebook-Fanboys schon Wochen vor der Challenge mit Infoschnipseln und bewies spätestens auch den nun vollständig versammelten Teilnehmern während der visuellen Streckenbeschreibung seine …spezielle schwarz-humorige Sichtweise des 80 km langen Ultramarathons.

Bereits seine Definition des Wortes Challenge auf der Leinwand sorgte für lautes Gelächter im Saal:

Und auch die darauf folgenden, mehr oder weniger ausführlichen Erläuterungen zu den Höhendifferenzen der gesamten Strecke, den einzelnen Versorgungspunkten, den klimatischen Bedingungen und dem Verhalten während des Laufs wurden äußerst besonnen vom Publikum abgenickt, immer wieder jedoch unterbrochen von diversen scherzhaft-bitterbösen Anmerkungen Aschu’s.
Abschließend bot er letztmalig den versammelten Läufern an,noch offene Fragen zu beantworten. Auch bestand hier noch die Möglichkeit, eine Mitfahrgelegenheit zum Übernachtungsort zu finden!
Das war dann auch mein Stichwort, als die Ersten im Begriff waren, aufzustehen und loszufahren. Also rief Ich prompt Aschu zu, er solle doch bitte nochmals per Mikro das Publikum um Aufmerksamkeit bitten. Und siehe da – schnell fanden sich zwei Läufer, die mich mitnehmen konnten.

Eine weitere Sorge konnte im übrigen von der Checkliste gestrichen werden – STRIKE!

Zum Übernachtungsort

Freitag, 10.02.2012, ca. 19:30 Uhr
Langsam strömten alle wieder zum Ausgang, und dabei verlor Ich Björn vollkommen aus den Augen! Gern hätte Ich mich doch noch von Ihm verabschiedet, aber sicherlich sollte es noch Gelegenheit geben, ein paar kurze Worte während des eigentlichen Laufs zu wechseln. Mit dem Auto ging es dann auch zügig weiter in den nahegelegenen Göttinger Wald, ca. 12 Autominuten von der Uni entfernt und in unmittelbarer Nähe zum Startpunkt. Die Fahrt dorthin ging steil, im warsten Sinne des Wortes – Und schnell! Der Fahrer mußte früher Rennprofi gewesen sein (hoffte Ich !!!), jedenfalls ging es in einem Höllentempo den Berg hoch.
Die beiden Läufer unterhielten sich extrem gechillt in ihrem schweizer Dialekt , während ich die engen Kurven zählte, fortwährend an zerbrechliche Leitplanken und Blitzeis dachte und Göttingen unter mir immer kleiner und kleiner wurde. Mittlerweile wurde es dunkel, über Göttingen die wundervoll sternklare Nacht! Jaja, ich gebe zu, ich bin in dieser Hinsicht wohl hoffnungslos romantisch veranlangt. Ein Sternübersähter Himmel im Mittelgebirge, ein wahnsinns-Anblick! Oben angekommen befanden sich sowohl der Reiterhof als auch das Jägerhaus am Kehr.
Ich verabschiedete mich von den beiden, bedankte mich nochmals ordentlich für die Mitnahme und betrat das gemütlich-rustikale Restaurant&Café des Jägerhauses am Kehr.

Die Räumlichkeiten gefielen mir, alles holzvertäfelt, eben eine urgemütliche, ländlich-bäuerliche Atmosphäre. Wir wurden zu den Schlafmöglichkeiten in den Keller gelotst, und kaum dort unten angekommen, hörte Ich, wie jemand meinte, er wäre hier nicht richtig, auf seinem Zettel stünde ein ganz anderer Übernachtungsort…!

„Zettel?“, dachte ich und biß auf die Lippe….


[Ende Teil 4, werde aber Heute Teil 5 hinterherhängen, hatte doch alles etwas länger gedauert wie geplant. Danke für’s Lesen, in Bälde geht’s weiter!]