Hi @ All!
Während diese Episode von Euch vermutlich innerhalb weniger Minuten durchgelesen sein wird, waren die wenigen Kilometer zum Gipfel die gefühlt längsten Kilometer der gesamten Distanz. Ich habe mich entschlossen, die Emotionen im Goethe-Saal ebenfalls hintendran zu hängen, aufgrund der erneut langen Wartezeit. Es wird auch reichlich Bildmaterial geben, um die Stimmung so gut es geht einzufangen.
Die letzten Episoden findet Ihr in der Kategorie Wettkampf: Brocken-Challenge (11.02.2012).
Liebe Läufergrüße und viel Spaß beim Lesen der teils ernsten, melancholischen und witzigen Ereignisse vor und nach dem Run to the Hill.

Oderbrück (790 m NN | 72,4 km bis 73,9 km) | 7,6 km bis Brockengipfel

„Hey Mario, wie geht’s Dir ? Schaffst es noch bis zum Gipfel?“
Torsten grinste mich frech an, als ich den Verpflegungsstand zusammen mit den anderen beiden Läufern erreichte. Er war anscheinend überall – aber natürlich ging es auch darum, seinen Kumpel Björn zu unterstützen. „Ich hab das jetzt mal überhört, Torsten“, antwortete ich lachend. Wie aus Reflex schaute Ich auf meine GPS-Uhr – die hatte jedoch schon vor einiger Zeit den Geist aufgegeben. Ich freute mich dennoch später auf die Auswertung der Daten am PC. Ich fragte Torsten nach der Uhrzeit, ich wollte mein Handy nicht extra rauskramen. „Kurz vor vier“, entgegnete er. „Oha, nun wirds aber knapp mit Sonnenuntergang“, meinte Ich etwas mißmutig. Einer der beiden Läufer schaute Richtung Sonne, ich folgte seinem Blick. “In einer guten Stunde ist die jedenfalls verschwunden“, kommentierte er den Sonnenstand und schaute selbst nochmals prüfend auf seine Uhr. Ich wollte mich unbedingt noch mal ordentlich stärken, bevor es losging. Am Verpflegungsstand grüßte Ich die Helfer und pickte mir ein paar Schoko-Haferschnitten raus – natürlich mit einem leckeren, heißen Zimttee. „Ich werd dann mal weiter“, meinte mein bisheriger Laufpartner, winkte und zog unvermittelt weiter. Der andere Läufer folgte Ihm. „Jo, Ich komme dann nach…“, rief Ich den beiden zu, wollte nur zuende Essen. Die Schokoschnitten waren aber auch famos!

Ich war so dreist und schnappte mir auch den Rest vom Teller. „Es muss sein, hoffentlich nimmt mir das keiner übel“, dachte Ich laut, aber einer der Helfer vom Bergwelt-Team schüttelte bloß den Kopf. „So, dann gehe ich mal die letzten Kilometer an…“, rief Ich Torsten zu, der immer noch in der Nähe stand und dem allgemeinen Treiben am VP zusah. Ich verabschiedete mich, und lief in lockerem Tempo den beiden Läufern hinterher. Die hatten nun ordentlich Vorsprung. Das sollte dann leider auch so bleiben, ich würde Sie erstmal nicht wiedersehen…

Unmenschliche Kälte und toter Punkt
Der Weg war hier nun sehr breit, der Schnee von den vielen Spaziergängern regelrecht geplättet. Unaufhaltsam und Unerbittlich wurde nun der Anstieg – trotz schwindender Kräfte wollte Ich jedoch nicht aufgeben. Die beiden Läufer konnte Ich vor mir nicht mehr ausmachen, aber ich wollte mit allen Mitteln zu Ihnen aufschließen. Das kostete mich jedoch noch mehr Kraft, ein Teufelskreis. Meine Motivation zu Laufen verflüchtigte sich rapide, der Gedanke zu gehen schien immer willkommender. „Schade, so kurz vorm Schluß verlässt Dich die Kraft und Motivation…“, dachte Ich bitter. Eine Frage der Zeit, bis es einfach nicht mehr ging. Nun war er wohl endgültig gekommen. „Hauptsache nicht gehen müssen“, dachte Ich bissig. Das erinnerte mich an ein Interview des US-Ultramarathonläufers Dean Karnazes, in dem er wie folgt formulierte: ‚Es gibt keine Abkürzungen beim Ultramarathon. Der Körper ist darauf programmiert, an einem bestimmten Punkt Stopp zu sagen. Die Gedanken sagen: Nein, lauf weiter! So ist der einzige, finale Selbstschutz-Mechanismus die Ohnmacht – oder Schlimmeres.‘ Soweit wollte Ich es aber dann – auch gedanklich – noch nicht kommen lassen. Einmal mehr traf mich die unbarmherzige, eisige Wucht der arktischen Kälte, diesmal ohne Gnade und Unterlaß. Hier oben wurde es noch mal eine Ecke unmenschlicher : die gefühlten, zweifachen Minusgrade hatten es in sich.

Immer öfter kamen mir nun Spaziergänger entgegen, aber auch Teilnehmer der Brocken-Challenge, die bereits auf dem Heimweg waren. Die Reaktionen beim Vorbeilaufen fielen unterschiedlich aus: Herzlicher Applaus, aufmunternde Grüße, respektvolles Nicken und wohlwollende Bewunderung. „Zieh durch, Junge, gleich biste da!“, rief einer. Es war ein tolles Gefühl der Anerkennung!

Abenddämmerung auf der Rampe
Dann erspähte Ich die beiden Läufer hinter der nächsten Kurve, aber immer noch viel zu weit weg. Beide liefen nun nicht mehr nebeneinander. „Er will vor Sonnenuntergang oben sein“, dachte Ich bewundernswert. Ich jedoch wollte nicht mehr so recht dran glauben, das Ich die Sonne oben noch erblicken durfte.

Dann war endgültig Feierabend, denn das, was ich da vor mir sah, entmutigte: Der ohnehin schonungslose Anstieg wechselte in maßlose Gnadenlosigkeit, als Ich mich einer weißen Wand näherte. Ich wusste, es Konnte sich jetzt nur noch um die Rampe handeln. Laut Beschreibung soll die Steigung über dreißig Prozent haben (kleiner Insider an die Sehnder Leser: Das Ding hat mehr als die doppelte Steigung der Todes-Rodelbahn nahe der Kippe) Hinter mir näherte sich in einiger Entfernung ein Läufer, und vorne verschwanden gerade meine ehemaligen Laufpartner hinter der Rampe aus meinem Blickfeld. Die war so steil, man wollte gar nicht mehr wissen, was noch dahinter kam! Weit oben kamen mir wieder Wanderer entgegen und hatten sichtlich Mühe, hinunterzukommen. Auch zwei Kinder mit Schlitten waren dabei – und rasten lachend runter. Krass. Typisch Kiddies. So schnell Ich konnte, arbeitete Ich mich zügig gehend nach oben. Wandern war nicht drin, das wollte Ich mir kurz vor Schluss einfach nicht geben. Ich schaute den Rodlern hinterher, die Ihren Spaß hatten. Hier oben schien alles so unbekümmert.

Ich ließ meinen Blick über die schneebedeckte Landschaft gleiten, genoss wieder einen romantischen Ausblick auf verschneite Tannen, die von dem Abendrot der Sonne beleuchtet wurden. Als ich dann endlich selbst die Rampe erklommen hatte – irgendwann, denn das Zeitgefühl war mir schon lang abhanden gekommen – blieb Ich stehen und schaute mich erneut um: Eine gewisse Erhabenheit ergriff mich, denn solche Bilder brennen sich für immer ins Gedächtnis.

Dem Gipfel so nah
Zunächst hatte Ich Mühe, mich wieder zum Laufen zu motivieren, also blieb es erstmal beim schnellen Gehen, um wieder in Fahrt zu kommen. Einmal mehr hatte Ich freie Sicht auf den Brocken. Vor allem der rot-weiß-gestreifte Stahlrohrturm sowie Brockenhotel bildeten einen sehr scharfen Kontrast zum frostig-blauen Himmel.

Alles wirkte irgendwie noch weit entfernt. Ich zwang mich zum langsamen Laufen, kam wieder in die Gänge. Beinahe merke Ich gar nicht, wie Ich noch das Kunststück vollbrachte, einen weiteren Läufer zu überholen. Wir nicken uns bloß stumm zu. So kurz vorm Ziel ist man in Gedanken versunken. Der Brockenblick wird nun ein ständiger Begleiter, immer wieder taucht die Sendeanlage zwischen den schneebedeckten Tannen auf. Ich weiß noch genau, was mir durch den Kopf ging, wenige Kilometer vorm Ziel. Es waren eher melancholische Gedanken: Ich wusste, bald war leider schon alles vorbei. Monate der Trainingsvorbereitung für diesen Lauf, der so viel Spaß gemacht hatte. Normalerweise macht man sich über solche Sachen erst hinterher Gedanken, aber ich war schon im Vorfeld betrübt, das dieser tolle Lauf bald endete. Es war so ein tolles Abenteuer, und bald sollte es enden. Ich schüttelte die Melancholie beiseite, konzentrierte mich wieder auf’s hier und jetzt.
Vor dem Zieleinlauf ist nach dem Zieleinlauf
Inzwischen führte mich der Weg neben Schienen der Brockenbahn entlang. Immer öfter begegnete Ich nun Wanderern und Spaziergängern. An den glücklichen Gesichtern einiger Leute erkannte Ich sofort Teilnehmer, die bereits wieder auf dem Rückweg waren. Die meisten Leute hatten sich warm angezogen, waren stark vermummt. Ich machte mir ein wenig Sorgen. Soviel dicke Klamotten hatte Ich gar nicht für die Nach(t)wanderung eingepackt, wenn es wieder zu Fuß hinuntergehen sollte. „Halt durch“, meinte gerade jemand lachend und ging mit seinen Kumpels vorbei. Ich grinste diesmal jedoch nur. Der melancholische Moment von vorhin war vergessen, nun wollte Ich dann doch endlich ins Ziel. Warscheinlich ging einem kurz vorm Zieleinlauf noch allerhand durch den Kopf. Weit vor mir sah Ich nun, wie sich Läufer und Spaziergänger schnurstracks nach links hocharbeiteten. Dort kreuzten sich die Schienen mit der Brockenstraße. Ich beschleunigte mein Tempo nochmals, denn die kommende Straße machte wieder einen besonders steilen Eindruck.
Rosenmontag auf dem Brocken?
Boah! Diese Brockenstraße war derbst steil!
Nach jeder Kurve dachte ich, es wäre endlich soweit, aber die Zielgerade wollte noch nicht kommen. Aus dem Laufen wurde einmal mehr ein schnelles Gehen. Eine weitere Biegung, wieder nichts. Links sah Ich dann erneut die Sendeanlage, diesmal überraschend nah.

Und dort konnte Ich bereits das Zielbanner sehen, der Brocken-Challenge-Schriftzug war unverkennbar. Ich hörte Gerassel, gerade wurden zwei Läufer unter lautem Beifall begrüßt. „Oh Gott, oh Gott, gleich ist es soweit!“, dachte ich aufgeregt! Nun wollte Ich nicht mehr gehen, sondern laufen, die letzten Meter erhobenen Hauptes durchs Ziel. „Wie sieht das denn aus, wenn Ich da wandernd reinspaziere?“,dachte ich und versuchte, wieder laufend einen Fuß vor dem anderen zu setzen.

Es war eine echte Qual, aber so kurz vorm Zieleinlauf war’s mir sowas von Egal! Dann wieder ein Läufer vor mir, der mit sehr viel Gerassel und Jubel in Empfang genommen wurde. Erinnerte mich an Karneval. Alle drehten mir den Rücken zu, und es waren nur noch wenige Meter bis ins Ziel! „Was zum Geier…“, dachte Ich. Würd Ich nun weiterlaufen, würd das niemand registrieren. Wäh! Die waren gerade mit dem Läufer am schnacken, aber hier kam doch schon der Nächste! Ich hatte aus Reflex sowas wie „Hier kommt noch einer, ein dreifach Helau..?“ gerufen, um ein klitzekleines bisschen Aufmerksamkeit zu erregen – gerade noch rechtzeitig!

Gipfel
„Heeeeeeyyyy, noch einer!!!“
„Jaaaa, da bin ich!“
Ich hatte ein ganz klares DejaVu und musste an meinen verpatzten Start vor gut 11 Stunden denken, als man mir genau denselben Spruch zugerufen hatte. Diesmal jedoch war alles anders! Aus dem Augenwinkel bekam ich noch mit, wie jemand etwas auf eine Liste notierte – sehr wahrscheinlich die Finisher-Zeit. „So, dann aber fix rein mit Dir, wärm Dich erstmal auf, Duschen, und dann gibt lecker Essen!“ Ich entgegnete: “Ihr seid echt hart, wie lange steht Ihr hier schon`? Sagt es lieber nicht…“.
Ich stand einfach nur da, blickte um mich, war von der Aussicht fasziniert. Was tausend Meter Höhe schon für einen Unterschied machten. Hier oben wirkte alles bis zum Horizont wie Satellitenansicht bei Google-Maps.

Ich erwartete nun eigentlich auch so etwas wie emotionale Gefühlswallungen, aber komischerweise blieben die aus. Das enttäuschte mich irgendwie. Spätestens jetzt hätte Ich sowas erwartet. Ließ mich das Erreichte „kalt“ …?
Die Sonne war im Begriff, hinter dem Horizont zu verschwinden.

Zwei Läufer standen nahe dem Eingang und unterhielten sich. Ich näherte mich Ihnen. Einer von den beiden hantierte an seinem Fotoapparat. „Hey, Gratulation Euch beiden. Habt Ihr vor, noch ein Foto zu machen ?“, grüßte ich. „Ne, keine Chance, ich will rein“, meinte der nur. Keine so schlechte Idee, dachte ich. Wobei das mit dem Foto machen eigentlich sehr schade war. Die Sonne verschwand nun beinahe gänzlich, es wurde immer dunkler. Nun wurde es im stehen unerträglich kalt. Vor einer halben Stunde noch wollte Ich am liebsten weiterlaufen, nun war ich jedoch ehrlich gesagt froh, hier oben zu stehen, mich kurz umzublicken und dann zügig ab ins Warme zu kommen.

Das war eigentlich ein gutes Stichwort: Also ab ins Hotel, aufwärmen, Duschen!
Große Emotionen im Goethe-Saal…
Zunächst ging es vom Eingang aus über eine Wendeltreppe in die erste Etage. Laut Beschilderung war der Goethe Saal für die Brocken-Challenge-Teilnehmer reserviert

Ich roch bereits Pasta, der Duft hing überall in dem Saal, der Magen fing an zu knurren. Im Vorraum des Saals hatten die fleißigen Veranstalter die Kleiderbeutel deponiert. Einer der nimmermüden Helfer schaute mich kurz an. „Soo, Starternummer 83 also, lass ma schau’n..“ Schon verschwand er zwischen den vielen Beuteln, warf seine Angel und fischte erfolgreich meinen heraus. „Da isser, Beutel 83, bidde sehr“. Ich dankte und wendete mich neugierig dem Saal zu. Direkt geradeaus durch am anderen Ende des Saals ging es zu Dusche und Toilette. Ich also schnurstracks geradeaus, vorbei an dem Gastronomie-Bereich sowie dem leckeren Nudel-Buffet auf der linken Seite, um ja nicht vorschnell in Versuchung zu geraten. Ich suchte mir zunächst nahe einer Heizung eine passende Stelle, um die Klamotten abzustellen. Hier im Saal herrschte absoluter Ausnahmezustand, aber in positivem Sinne. Überall unterhielten sich rege die Ultramarathonläufer. Sofort konnte Ich es spüren, dieses gewisse Feeling, was jeder unleugbar spüren musste, wenn er den großen Saal mit den vielen gleichgesinnten Läufern zum erstenmal betrat: Das Gefühl, etwas großartiges vollbracht zu haben!

In den Blicken konnte man Glück und Freude ablesen. Die meisten Gesichter waren mir vollkommen fremd, obwohl es ja immer hieß, das die Ultragemeinde eigentlich eher ein Dorf sei. „Naja, Du bist ja auch noch nen Frischling in dieser Szene…“, dachte ich scherzhaft. „Nun aber Duschen!“
…und lange Schlange(n) vor der Dusche
Ich schnappte mir meine Wechselklamotten und betrat das Herren-WC. Hier herrschte ebenso Ausnahmezustand: fünf Männer kamen auf eine Dusche. Gerade sang sogar jemand, es konnte schlimmer nicht sein. „Wenn Du da drinne schon singen musst, dann sag uns wenigstens, ob es noch heißes Wasser gibt, das du gerade verplemperst“, rief einer der Läufer gerade. „Bei dem Gedränge hier sollte man jetzt NICHT seine Seife verlieren“, scherzte ein anderer.
Ich musste lauthals lachen, einige drehten sich um. „Ah, noch einer. Na das wird ja richtig kuschelig hier“, meinte ein weiterer nackter. „Jetzt reißt Ihr hier aber das volle Klischee-Programm runter, was ? Anscheinend ist der Boden nicht beheizt, oder warum stehst Du auf Deinen Socken?“, grinste ich und warf meine Klamotten in eine Ecke. Alles harte Jungs! Ich zog mich ebenfalls aus und wollte mich gerade mit dem Duschgel ins Getümmel der wartenden Schlangen werfen, als Ich neugierig und entsetzt zugleich auf meine eigenen Füße starrte: Blaue Zehennägel, Blasen, Blut!
„Jo, die sehen so aus, wie ich mich fühle“, kommentierte einer der Läufer, sichtlich zufrieden. „Pff, das is ja noch harmlos. Lass mich raten: Zum erstenmal die BC gelaufen?“, meinte ein anderer. „Eher der erste Ultra“, antwortete Ich lachend und betrachtete weiterhin fasziniert meine Zehen. “Jo, dann gratulier Ich mal. Trotzdem sehen die harmlos aus, glaub man.“ Ich entgegnete: „Wenn wir hier weiterhin rumstehen, gibt’s die passende Blasenentzündung gratis“. Wieder herzliches Gelächter! Ich fröstelte etwas, aber das war halt normal. Generell war es wichtig, schnell aus den nassen Klamotten rauszukommen. Nun aber minutenlang nackt auf dem kalten Fliesenboden rumzustehen, war eher lästig. Vor mir noch zwei wartende Läufer, hinter mir drei. „Kann dauern“, grinste einer und folgte meinem Blick. Und dann endlich – nach einer halben Ewigkeit – der ersehnte Moment: Duschen! Und es gab sogar noch heißes Wasser. Ich beeilte mich, wollte den Rest nicht warten lassen. Ich betrachtete meine Füße, sah alles harmlos aus, nachdem ich das Blut weggespült hatte – der Typ hatte recht behalten. „Rein, raus, fertig“, kommentierte ich bloß, als Ich nach nicht einmal zwei Minuten wieder draußen war. „Na, mal sehn, welcher blöde Spruch nu kommt“, dachte Ich grinsend. „Wird Zeit, mein Bier wird alle“, rief jemand laut und hielt seine Pulle hoch. Ohne Worte…
Unnötige Sorgen…
Umgezogen machte Ich mich wieder auf dem Weg zu meinen restlichen Klamotten. Mir war Kalt, obwohl der Saal beheizt war. Die eisige Kälte wollte einfach nicht aus meinen Knochen. Ich setzte mich zunächst an die Heizung und schaute mich um. Derweil trudelten weitere Läufer in den Saal, unter lautem Beifall wurden Sie von allen begrüßt.

Ich versuchte unter den vielen fremden Gesichtern auch bekannte ausfindig zu machen. Am gegenüberliegenden Ende erkannte Ich dann jemanden: Es war der Sohn, der zusammen mit seinem Vater auf der 2x2m großen, luxuriösen Luftmatratze übernachtet hatte. Ich also mit meinem Krempel rüber. „Hey, wie geht’s ? Ist Dein Vater noch unterwegs ?“. Er nickte und meinte dann sowas wie: „Ick wees nur, das er noch unterwegs is, kann nich mehr lang dauern. Ick werd gleich ma raus, auf Ihn warten.“ Am Abend vor dem Start hatte er ja seine Meinung zum Laufen klar geäußert. Milde gesprochen: Er konnte dem Bewegungsdrang seines Vaters nichts abgewinnen. Ich hatte Ihm aber bereits an besagtem Vorabend entgegnet, das Ich das sehr toll fand, das er seinen Vater nichtsdestotrotz unterstützte. „Naja, irgendwer muss ja auch fahren…“, meinte er da noch ausweichend. Als Ich Ihn da nun so sitzen sah mit seinem Handy in der Hand, machte er einen leicht besorgten Eindruck auf mich. Ich schaute nach draußen: Es war längst dunkel. „Mach Dir man keinen Kopf, der kommt bestimmt gleich!“, meinte Ich bloß. Naja, es war ein schlechter Versuch, Ihn aufzumuntern. „Ich hol mir mal nen Teller Nudeln.“ Nun bekam Ich Hunger!
…um beispiellose Läufer
Als Ich dann mit dem leckeren, dampfenden Nudelteller wieder am Tisch saß, rief irgendjemand vor mir meinen Namen. Ich schaute auf, erkannte denjenigen, hatte aber nicht ganz verstanden, was er noch gesagt hatte. Also rief Ich zurück. “Mensch Frank, was ist los, warum liegst da rum?“. Das war Frank Kleinsorg, der auf der Matratze lag. Ich erfuhr, das er dehydriert war. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Immerhin lag dort nen absoluter Vollprofi, was sollte Ich als Ultra-Newbie groß erwidern, am wenigsten was altkluges. Er hatte mich gefragt, wie’s gelaufen ist. „Besser als gedacht, staune ja immer noch, das Ich angekommen bin“, antwortete ich also, etwas in die Richtung. Ich wünschte Ihm jedenfalls gute Besserung. Er unterhielt sich mit jemandem vom Johanniter-Rettungsteam, der in regelmäßigen Abständen die Flüssigkeitszufuhr der Infusion kontrollierte. Als Ich fertig war mit Essen, fiel mir mein Handy ein. Ich wollte wissen, ob man es nun wieder einschalten konnte. Sah gut aus! Es war an der Zeit, mit der Außenwelt zu kommunizieren: Familie, Freunde, Soziales Netzwerk im Internet. Vertieft in SMS, Twitter, Facebook & Co. hörte ich im Hintergrund wieder eine bekannte Stimme. Petra Rösler – gerade eingetroffen – hatte sich auf die Heizung gesetzt und meinte sichtlich glücklich: „Schööön warm, tut das gut!“. Sie wirkte durchfroren, was aber auch wirklich kein Wunder war, es war schon weit nach Sonnenuntergang! Ich brachte Ihr Tee, darüber freute Sie sich. Es war das Mindeste, denn immerhin war Sie es, die mir auf die ersten Kilometer mit Ihrer auflockernden Art die Extraportion Sicherheit verschafft hatte. Sie ist ein wirklich herzlicher Mensch, freue mich, Sie beim nächsten Ultra zu sehen. Und dann erfuhr Ich, das der Vater des Sohnemanns auch gesund, munter und extrem glücklich gefinisht hatte. Ich gratulierte Ihm herzlichst! Und während wir uns unterhielten, wurde ein weiterer Läufer gerade von Markus Ohlef unter großem Beifall begrüßt:
“Darf ich Euch Kurt Brennert vorstellen ? Er ist 67 Jahre und der wohl älteste Teilnehmer der diesjährigen Brocken-Challenge…!“
Neue und alte Herausforderungen
Gerade unterhielt sich Petra mit Thomas Ehmke, der gegenüber von mir saß. Von Ihm wusste Ich,das er u.a. begeisterter Trailrunner war. Es ging wohl gerade um den nächsten Ultra, der in zwei Wochen stattfinden sollte und „run2kill“ genannt wurde. Petra meinte gerade zu mir: “Wenn Du eine neue Herausforderung suchst, dann lauf doch den run2kill.“ Die Eckdaten wollte Ich erst gar nicht glauben: Hildesheim, 161 km, ca. 4000 Höhenmeter.Peng. Ich guckte wohl wie ein Pferd, als Ich antwortete: „Das soll ein Scherz sein, oder? 100 Meilen ?“, dachte Ich laut. Petra entgegnete: “Du kannst ja nach den ersten 80 km aufhören…?“ ich mußte grinsen. „Naja, Ich lauf erstmal den Rennsteig im Mai. Die Ziele sollten realistisch bleiben. Ich laufe gern ein Rennen komplett, nicht zur Hälfte. Vielleicht 2013“, winkte Ich lachend ab. Glaub Thomas meinte dann, ich solle langsam machen und den Rennsteig durchziehen. “Der wird allerdings nen Spaziergang für Dich, nach dieser BC…“ Derweil beobachtete Ich, wie jemand eine Urkunde in Händen hielt.
Gute Idee! Ich stand auf, um mir meine ebenfalls abzuholen. Als Ich Aschu und Markus auf der anderen Seite des Saals erspähte, wusste Ich, das noch etwas anderes geklärt werden musste: Schlafzeugs und Trekkingstöcker. „Augen zu und durch“, dachte Ich und lief auf die beiden zu.
„Ähm, Hallo Ihr beiden! Tja, wie fang Ich am besten an…“

Mit Teil 17 – dem letzten Teil – folgt die Nach(t)wanderung sowie diverse Outtakes. Somit schließt sich der Kreis, und man könnte als Epilog die erste Episode heranziehen. Vielleicht versteht Ihr dann auch, warum Ich bei erreichen des Gipfels (noch) nicht die erhofften Emotionen verspürte.
Tja, Noch 12 Tage, dann beginnt auch für mich endlich die Laufsaison 2012. Im Mai geplant wären am 12.05. der Ultramarathon-Rennsteig in Thüringen sowie eine Woche später der Marathon in Würzburg, wo Ich zusammen mit den Cabanauten (http://www.caba.de/jooga/) versuchen möchte, einen Weltrekord (www.kettenmarathon.de) zu brechen- zwei Laufevents also, auf die Ich mich bereits freue!